Effekte epistemologischer Überzeugungen auf Lernprozesse in hypermedialen Informationssystemen
Zusammenfassung der Projektergebnisse
In diesem Projekt wurde der Zusammenhang zwischen epistemologischen Überzeugungen und Lernen während des Wissenserwerbs mit einem komplexen hypermedialen Informationssystem untersucht. Epistemologische Überzeugungen betreffen die Natur des Wissens und des Wissenserwerbs. Man unterscheidet dabei zwischen naiv-empiristischen und angemessen-relativistischen Annahmen. Diese Lernervariable wurde bislang relativ wenig betrachtet und die genauen Wirkungsweisen von epistemologischen Überzeugungen im Lernprozess sind nahezu unerforscht. Wir vermuten, dass epistemologische Überzeugungen insbesondere bei komplexen Lernaufgaben wirksam werden. Daher nehmen wir an, dass epistemologische Überzeugungen sich vor allem auf metakognitive Kalibrierungsprozesse auswirken, also darauf, wie flexibel Lerner ihre Lernprozesse an Aufgabenkomplexität anpassen können. Basierend auf dem COPES Modell (Winne & Hadwin, 1998) haben wir drei Studien in den Planungsphasen des Lernens und zwei Studien in den Ausführungsphasen des Lernens durchgeführt. In allen Experimenten wurden Lerner mit Aufgaben unterschiedlicher Komplexität konfrontiert und müssten ihren Lösungsprozess planen oder mit einem Hypertext zum Thema „Der genetische Fingerabdruck" durchfuhren. Die Ergebnisse zeigen, dass Lerner sich in allen Phasen des Lernens systematisch an Aufgabenkomplexität anpassen, beispielsweise, indem sie eher oberflächliche Strategien für einfache Aufgaben planen und anwenden und tief elaborierende Strategien für komplexe Aufgaben. Es bleibt allerdings offen, ob diese Anpassung ausreicht und welche zusätzlichen externen Faktoren - außer Aufgabenkomplexität - den Lernprozess beeinflussen. In Bezug auf epistemologische Überzeugungen zeigt sich die Wichtigkeit dieser Variable durchgängig: In allen Lernphasen gab es signifikante Effekte. In den Studien zur Planungsphase beispielsweise zeigen sich in einer Studie positive Beziehungen zwischen „sophistizierten" Überzeugungen und der Anpassungsgüte (Experiment 1), in einer arideren Studie dagegen Haupteffekte (Experiment 2): „sophistizierte" Überzeugungen waren bei allen Aufgaben mit besserer Planung assoziiert. Auch unsere instruktionale Maßnahme, um „sophistizierte" Überzeugungen hervorzurufen war teilweise erfolgreich: Eine epistemologische Einführung führte zu besseren Lernprozessen und besserer Argumentation (Experiment 4). Die Ergebnisse zeigen aber auch, dass der Zusammenhang zwischen epistemologischen Überzeugungen und Lernen sehr komplex ist: Die Wirkung epistemologischer Überzeugungen scheint auch vom Alter (vgl. Experiment 3) und der Reflexion der Lerner (vgl. Experiment 5) abzuhängen. Und unsere instruktionale Maßnahme führte - zumindest kurzfristig - zu weniger korrekten Aufgabenlösungen, evtl. da die Lerner verunsichert waren (Experiment 4). Evtl. kann ein Teil dieser inkonsistenten Ergebnisse auch darauf zurückgeführt werden, dass es bisher wenig qualitativ gute Instrumente zur Messung epistemologischer Überzeugungen gibt und die Interaktion domänen-abhängiger und genereller Überzeugungen immer noch unklar ist. In unseren Experimenten haben wir viele verschiedene Instrumente getestet, kein Instrument ist 'universell' geeignet zur Messung epistemologischer Überzeugungen, es bedarf auch in Zukunft einer studienbezogenen Auswahl an Erhebungsinstrumenten. Immerhin erweis sich der von uns entwickelte CAEB als recht reliabel im Vergleich zu den in der Literatur berichteten EB Instrumenten.