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Das Handwerk der Literatur, 1775-2010
Antragsteller
Privatdozent Dr. Michael Bies
Fachliche Zuordnung
Germanistische Literatur- und Kulturwissenschaften (Neuere deutsche Literatur)
Förderung
Förderung von 2017 bis 2022
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 389733629
Auch wenn Literatur kein Handwerk ist, beziehen gerade deutschsprachige literarische und ästhetische Texte sich dem späten 18. Jahrhundert immer wieder auf Handwerk. Sie entwerfen Bilder vergangener Handwerkswelten, berichten von Reisen, die am Modell der Gesellenwanderung orientiert sind, und sie erzählen vom Verfall des Handwerks in einer von voranschreitender Industrialisierung gekennzeichneten Moderne. Darüber hinaus fällt auf, dass ästhetische Texte konsequent auf Handwerk zurückgreifen, um den Status und die Ordnung von Literatur in der Moderne zu reflektieren und um Antworten auf die Frage zu gewinnen, wie Literatur sein und wie sie nicht sein kann und soll.Das germanistische Forschungsprojekt möchte diesen kontinuierlichen, in seiner Breite bislang aber kaum beschriebenen Bezug von Literatur auf Handwerk in seinen charakteristischen Formen und Funktionen herausarbeiten. Im Unterschied zum überwiegenden Teil der bisherigen Forschung geht es dabei nicht davon aus, dass Literatur primär sozioökonomische Verhältnisse abbildet, wenn sie von Handwerk handelt. Vielmehr nimmt es an, dass Literatur im Rekurs auf Handwerk vor allem sich selbst und ihre eigenen Möglichkeiten auszuloten und zu thematisieren sucht. Mithin untersucht das Projekt, wie literarische und ästhetische Texte in der Auseinandersetzung mit Handwerk von der Produktion wie auch von der Ordnung und den Regeln der Literatur handeln, wie sie in der Darstellung von Handwerk den Status von Literatur und Kunst unter den Bedingungen der gesellschaftlichen Moderne auszuloten und zu kompensieren suchen und wie sie sich damit an der 'Erfindung' eines typisch modernen Handwerksbildes beteiligen und auch eine allgemeine Diskussion von Moderne vorantreiben. Ermöglicht wird dieser Rückgriff auf Handwerk durch eine Reihe von Veränderungen und Ereignissen, die sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bündeln, in der auch der Ausgangspunkt des Projekts liegen soll. Hierzu gehören die zunehmende 'Veröffentlichung' handwerklichen Wissens, die Herausbildung des Narrativs vom 'Verfall des Handwerks', die Umstellung von einer Regel- auf eine Innovationspoetik wie überhaupt die Herausbildung von 'Kunst' und 'Handwerk' im Singular.Den dadurch angelegten Bezug von Literatur auf Handwerk möchte das Projekt in seiner Kontinuität wie auch in seinen Wandlungen bis ins 21. Jahrhundert hinein verfolgen und dabei auch die grundlegende Erosion und Neucodierung berücksichtigen, die dieser Bezug unter den Vorzeichen der Postmoderne erfährt. Hierfür sollen kanonische literarische und ästhetische Texte etwa von Goethe, Tieck, E.T.A. Hoffmann, Stifter, Storm, Keller, Marie von Ebner-Eschenbach, Walter Benjamin und W.G. Sebald behandelt werden, aber auch Texte weniger bekannter Autoren wie Johann Friedrich Rupprecht, Otto Ludwig, Ernst von Wildenbruch, Max Kretzer, Hermann Stehr, Karl Scheffler oder zuletzt auch Marc Schweska Berücksichtigung finden.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen