Supply Chain Planning für modulare Produktionskonzepte in der Prozessindustrie - Entwicklung und Analyse von Planungsmodellen zur Entscheidungsunterstützung
Zusammenfassung der Projektergebnisse
In der chemischen Industrie steigen die Herausforderungen, um den spezifischen Kundenanforderungen gerecht zu werden. Bislang sind überwiegend zentralisierte Großanlagen im Einsatz, um durch Bündelung der Produktion Skaleneffekte zu realisieren. Aufgrund des zunehmend dynamischen Marktverhaltens sind Produktionssysteme mit hoher Flexibilität erforderlich. Konzepte zur Modularisierung und Wandlungsbefähigung der Produktion ermöglichen die Implementierung kleinskaliger, mobiler, dezentraler Produktionsanlagen, welche in genormten Standardcontainern installiert und somit in Rohstoff- oder Kundennähe betrieben werden können. Modulare Produktionssysteme werden aus standardisierten Apparatemodulen konfiguriert und können so einfach angepasst werden. Die Produktionskapazitäten an jedem Standort können durch die Anzahl modularer Anlagen skaliert und das Produktionsnetzwerk durch Verschieben der Anlagen angepasst werden. In diesem Projekt wurde ein ganzheitliches Planungssystem für die Entscheidungsunterstützung der Supply Chain unter Einsatz modularer Produktionssysteme entwickelt. Dazu wurden zunächst die Entscheidungen der Supply Chain präzisiert und die relevanten strategischen und taktischen Teilmodule abgegrenzt. Es hat sich gezeigt, dass bisherige mathematische Modelle den Anforderungen der Planung modularer Produktionsnetzwerke nicht entsprechen können. Daher wurden für die Teilmodule innovative mathematische Optimierungsmodelle konzipiert. Um das neue Planungskonzept zu validieren, wurden technische und ökonomische Daten für vielversprechende Geschäftsbereiche gesammelt. Auf dieser Basis konnten realistische Fallstudien durchgeführt werden, welche die Anwendbarkeit bestätigten und verschiedene ökonomische Analysen motiviert haben. Mehrere Szenarien wurden auf Basis realer Daten konstruiert, welche die Unsicherheit in der zukünftigen Marktsituation abbilden. Die zentrale Forschungsfrage dieser Fallstudien war, wie sich die neue Produktionstechnologie auf die Supply Chain und das Produktionsnetzwerk auswirkt. Zum einen hat sich gezeigt, dass Standortflexibilität der Produktionsanlagen isoliert einen verhältnismäßig geringen ökonomischen Wert aufweist. Die Anpassung von Produktionsprozessen durch einen Austausch von Apparatemodulen zeigt hingegen ein großes Potenzial, die Effizienz eines modularen Produktionsnetzwerks zu steigern. Daher ist die Modellierung der Apparatemodule, aus denen modulare Produktionsanlagen konfiguriert werden, wichtig. Zudem wird durch ein dezentrales Produktionsnetzwerk eine lokale Beschaffung der Grundstoffe möglich. In den Fallstudien zur Produktion von Spezialpolymeren hat sich gezeigt, dass durch lokale Beschaffung und kürzere Lieferstrecken die Logistikkosten deutlich gesenkt werden können. Weiter zeigt sich, dass die Flexibilität einzelner modularer Produktionsanlagen hinsichtlich des Produktspektrums sehr wichtig ist, um die Vorteile eines dezentralen Produktionsnetzwerks auszunutzen. Zur Komplettierung der Planungsebenen ist für zukünftige Arbeiten vorgesehen, zum ersten die operative Ebene mit der Ausgestaltung der operativen Teilmodule zu adressieren. Dabei werden für den Betrachtungsraum der Anlagen selbst Fragen wie das Scheduling, die Belegungsplanung und das Umrüsten von modularen Anlagen sowie die Ableitung von Randbedingungen für die technische Entwicklung relevant. Eine Supply Chain gerechte Prozessentwicklung lässt sich nur durch die Nutzung der betriebswirtschaftlich optimalen Lösungen aus der ganzheitlichen Supply Chain Betrachtung ableiten. Im Facility Layout Planning eines Standorts ist zum zweiten taktisch die optimale Anordnungsplanung der modularen Produktionsanlagen zu finden, sodass die Kosten für Transporte innerhalb eines Standorts minimiert werden. In die Standortplanung sind in der Anbindung von Zulieferern und insbesondere Kunden das Location-Routing einer integrierten Standort- und Routenplanung einzubeziehen. Die Routing-Entscheidungen werden dann in der Produktionsnetzwerkplanung in Form eines Location-Routing-Problems mit Kapazitäts-, Standortverlagerungs- und Prozessentscheidungen mitberücksichtigt. Zudem sollte zum dritten das strategische Modell erweitert und validiert werden, sobald modulare Produktionsanlagen ausreichend Verbreitung erfahren.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- Tactical Planning of Modular Production Networks in the Chemical Industry: A Case Study in Specialty Polymers. In: Fortz, Bernard, Labbé, Martine (Eds.) (2019): Operations Research Proceedings 2018, Selected Papers of the Annual International Conference of the German Operations Research Society (GOR), Brussels, Belgium, September 12-14, 2018, Springer 2019, S. 407-413
Becker, Tristan; Bruns, Bastian; Lier, Stefan; Werners, Brigitte
(Siehe online unter https://doi.org/10.1007/978-3-030-18500-8_50) - Value of modular production concepts in future chemical industry production networks, European Journal of Operational Research, Vol. 276, No. 3 (2019), S. 957-970
Becker, Tristan; Lier, Stefan; Werners, Brigitte
(Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.ejor.2019.01.066)