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Berühren: literarische, mediale und politische Figurationen

Antragstellerin Dr. Andrea Erwig, seit 9/2018
Fachliche Zuordnung Allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft; Kulturwissenschaft
Europäische und Amerikanische Literatur- und Kulturwissenschaften
Germanistische Literatur- und Kulturwissenschaften (Neuere deutsche Literatur)
Förderung Förderung von 2017 bis 2022
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 387749687
 
Erstellungsjahr 2021

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Netzwerk zielte darauf, Denkfiguren und Praktiken des Berührens in Literatur und anderen Künsten sowie in Philosophie und Theorie neu zu konturieren. Drei Felder strukturierten die Studien. Im Rahmen von sechs wissenschaftlichen Veranstaltungen wurden die folgenden grundlegenden Ergebnisse erarbeitet, die im Detail in den Publikationen des Netzwerks nachzulesen sind (drei Zeitschriftenthemenhefte, zwei Sammelbände, ein Essayband): 1. Ästhetik und Politik des Berührens: Sinneshierarchien spielen in der Beschreibung von Gesellschaft, in Imaginationen des Politischen, eine wichtige Rolle. Die Funktion des Tastsinns wurde dabei bislang wenig beachtet. Literatur und anderen Kunstformen reflektieren die politische und soziale Bedeutung der Sinne und ihrer Hierarchien in einer Weise, die Latenzen lesbar macht. Die Forschungen des Netzwerks wiesen die zentrale Funktion von Berührung und Distanz in historisch variablen Entwürfen von Gemeinschaft und Gesellschaft auf. Vor dem Horizont jüngerer Theoriebildung, etwa des New Materialism, zeigte sich zudem, dass im Berühren ein Potenzial jenseits subjektzentrierter und anthropozentrischer Handlungskonzepte liegen kann. Es weist Wege dazu, Konzepte wie Gewalt, Widerstand oder Intervention neu zu denken. Berührung ist nie souverän; jede Berührung, auch die gewaltsame, schließt ein Berührtwerden ein. 2. Denkfiguren des Berührens: Denkfiguren des Berührens sind in Literatur, Philosophie und Theorie in Relationen eingebunden. Anschauung und Affizierung, Bildlichkeit und Buchstäblichkeit, Begreifen und Ergreifen, Idealität und Materialität treten in Denkfiguren des Berührens zueinander in Beziehung und befragen dabei diese Differenzen auf ihre Festigkeit. Wahrnehmungsbereiche, die historisch unter dem Primat des Visuellen verhandelt wurden, erhalten neue Konturen. Figuren des Berührens hinterfragen die Differenz zwischen Literatur auf der einen und Theorie, Philosophie und Philologie auf der anderen Seite. Sie machen den Erfahrungsbezug von Kunst und Philosophie spürbar und legen nahe, ihn jenseits der Begriffssprache und jenseits eines akademischen Individualismus zu reflektieren. 3. Medialität des Berührens: Im Vergleich mit dem Visuellen und Auditiven, die als Distanzsinne gelten, wurde das Berühren historisch häufig entweder abgewertet oder zu einem Sinn der Unmittelbarkeit verklärt. Unsere Studien verdeutlichen, dass das Berühren eine komplexere Rolle einnimmt: Berühren ist nicht jenseits von Medien zu denken; immer eignet ihm ein Dazwischen; stets geht mit der Nähe auch ein Entzug einher. Das Berühren regt dazu an, die Historizität, Spezifität und Medialität jedes Wahrnehmungsaktes zu reflektieren. Neben Apparaturen der Berührung, etwa Schreibwerkzeugen und digitalen Endgeräten, haben sich in den Künsten und Kulturpraktiken Formen des Szenischen als besonders berührungsaffin erwiesen. Film, Theater, Oper, Performance und Ausstellung, aber auch performative Verfahren in Kulturtheorie und Philologie prägen ihre Medialität entscheidend über das Taktile und Affektive, das Berühren und Berührtwerden, aus. Dabei werden Nähe- und Distanzverhältnisse, Phantasmen der Unmittelbarkeit, der Ansteckung oder der Überwältigung genauso ausgehandelt wie Formen der Bildlichkeit, Begrifflichkeit und Körperlichkeit. Mögliche Folgestudien: Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie und den damit einhergehenden Maßnahmen, Regeln und Einschränkungen stellt sich die Frage nach den Ursachen, der Rahmung, den Effekten und der Ethik der politischen Steuerung von gesellschaftlicher Distanz und Berührung mit neuer Brisanz. Weitere Informationen zum Verlauf und zu den Ergebnissen des Netzwerks finden sich auf www.netzwerk-beruehren.de.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Tangieren – Szenen des Berührens, Baden-Baden: Rombach Wissenschaft 2020 (Reihe Scenae, hg. v. Gabriele Brandstetter und Clemens Risi, Band 20). 304 S.
    Fluhrer, Sandra und Alexander Waszynski (Hg.)
    (Siehe online unter https://doi.org/10.5771/9783968210032)
  • Berühren. Relationen des Taktilen in Literatur, Philosophie und Theater, Themenheft Komparatistik-online (2019). 168 S.
    Erwig, Andrea und Sandra Fluhrer (Hg.)
 
 

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