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AGIPEB - Entscheidungen unter Unsicherheit: Analyse geplanter Institutionalisierungsprozesse in Paarbeziehungen unter dem Einfluss prekärer Beschäftigungsverhältnisse

Fachliche Zuordnung Empirische Sozialforschung
Förderung Förderung von 2011 bis 2017
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 196469282
 
Erstellungsjahr 2018

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Projekt AGIPEB untersuchte den Prozess der Institutionalisierung von Partnerschaft und Familie unter dem Einfluss atypischer, insbesondere: befristeter, Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland. Als Erklärungsgegenstände wurden der Übergang in eine gemeinsame Wohnsituation von Paaren, in Elternschaft, in die Ehe, der Kauf eines gemeinsamen Autos und einer gemeinsamen Immobilie, der erste gemeinsam verbrachte Urlaub und die Einrichtung einer gemeinsamen Spareinlage untersucht. Die umfassende Hypothese lautete, dass befristete Beschäftigung zu Verzögerungen der Übergänge in die jeweiligen Institutionalisierungsstufen unter jungen, erwachsenen Paaren in Deutschland führen. Als theoretische Ausgangsbasis für die empirischen Untersuchungen wurden Dörres Theorie der kapitalistischen Landnahme, Rusbult’s Investitionsmodell und die Rational Choice-Theorie herangezogen. Der Hauptuntersuchung lag eine Stichprobe von 1.083 Personen zugrunde, die zum Interviewzeitpunkt in einer Partnerschaft – sowohl eheliche als auch nicht-eheliche – mit gemeinsamer Haushaltsführung lebten. Die Befragten waren zwischen 18 und 36 Jahre alt, Rund die Hälfte der Stichprobe bestand aus Personen, die mindestens einmal im abgefragten Erwerbslebenslauf befristet beschäftigt waren. Die andere Hälfte setzte sich aus Personen zusammen, die nie befristet beschäftigt gewesen waren. Ein Screeningkriterium war zudem, dass die Befragten zum Erhebungszeitraum erwerbstätig und nicht arbeitslos waren. Auf eine Paarbefragung wurde aus Kostengründen verzichtet. Es wurden jedoch einige sozialstrukturelle Merkmale des nicht-befragten Partners stellvertretend über den Befragten eingeholt. Erwerbs- und Partnerschaftslebensläufe der Befragten wurden monatsgenau erhoben. Der Startpunkt einer jeden Biographie lag jeweils ein Jahr vor Beginn der zum Erhebungszeitpunkt bestehenden Partnerschaft. Bei der Stichprobe handelte es sich um eine proportional geschichtete Stichprobe. Die multivariaten Untersuchungen wurden mithilfe von Ereignisdatenanalysen, insbesondere Kaplan-Meier-Schätzern, Exponential- und Piecewise Constant-Modellen, durchgeführt. Ferner wurden multiple lineare Regressionen für Querschnittsfragestellungen herangezogen. Im Zuge der ersten Projektphase wurden erste empirische Untersuchungen mittels Cox Regressionen und Exponentialmodellen durchgeführt. Mit Blick auf die Entscheidung über die Zeit bis zum Verbringen des ersten gemeinsamen Urlaubs zeigten sich die theoretisch erwarteten Verzögerungseffekte: Bei Partnern mit hohen Befristungsanteilen in den abgefragten Erwerbsbiographien erfolgte der erste Urlaub signifikant später als bei Partnern, die größtenteils unbefristet waren in der Zeit des abgefragten Erwerbslebenslaufs. Anders sah es bei der Dauer bis zur Geburt des ersten Kindes aus, bei der sich kein signifikanter Einfluss der Befristungsanteile zeigte. Die gleichen Ergebnisse zeigten sich bis auf den Übergang in den Immobilienkauf auch bei allen übrigen Institutionalisierungsschritten. Befristete Beschäftigung verzögerte demnach den Übergang in Hauseigentum signifikant im Vergleich zu unbefristeter Beschäftigung. In der zweiten Projektphase wurden diese Ergebnisse durch Analysen auf Basis von Piecewise Constanz Modellen weitgehend bestätigt. Zusätzlich zeigten sich die aus der Literatur bekannten verzögernden Effekte des Durchlaufens von (höheren) Schulbildungsphasen auf die Übergangsraten in die meisten der hier untersuchten Institutionalisierungsstufen. Im Zuge der Studien kam ein neuentwickeltes Instrumentarium zur Erfassung der subjektiven Prekaritätsbelastung zum Einsatz, die mit befristeter Beschäftigung einhergehen kann. Währen der Ereignisdatenanalysen konnte dieses Instrumentarium nur in begrenztem Maße eingesetzt werden, da eine retrospektive zeitveränderliche Erfassung subjektiver Einstellungen methodisch nicht angebracht erschien. Querschnittsuntersuchungen zeigten jedoch, dass subjektive Prekaritätsbelastungen stärker bei jenen Akteuren ausgeprägt sind, die kaum oder gar keine Befristungserfahrungen aufweisen, als bei jenen, die in moderatem Ausmaß befristete Beschäftigungsverhältnisse durchlaufen haben (rund 25 Prozent der abgefragten Erwerbsbiographie bestand aus befristeter Beschäftigung). Angesichts einer widersprüchlichen theoretischen Ausgangslage und aufgrund einer anzunehmenden hohen Praxisrelevanz ergibt sich hierzu ein erhöhter zukünftiger Forschungsbedarf. So ist zu vermuten, dass wahrgenommene Prekaritätsbelastungen und soziale Abstiegsängste, die mit dem Anstieg atypischer Beschäftigung in den vergangenen gut fünfundzwanzig Jahren(möglicherweise) einhergehen, dysfunktionale und desintegrative Folgen zeitigen, wie z.B. Kompensation sozialer Verlust- und Unsicherheitswahrnehmungen durch Abwertung von Fremdgruppen oder aber durch Hinwendung zu nationalistischen oder gar autoritären Einstellungen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2015): Elternschaftsabsichten in Deutschland unter dem Einfluss von Modernisierungs- und Prekarisierungsprozessen. Zeitschrift für Familienforschung 27, 2, S. 228-250
    Baron, Daniel/Schulze-Oeing, Caroline
  • (2017): Atypische Beschäftigung und ihre sozialen Konsequenzen. In: Baron, Daniel/Hill, Paul B. (Hrsg.): Atypische Beschäftigung und ihre sozialen Konsequenzen. Wiesbaden: Springer VS, S. 1-8
    Baron, Daniel/Hill, Paul B.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1007/978-3-658-18736-1_1)
  • (2017): Atypische Beschäftigung und ihre sozialen Konsequenzen. Wiesbaden: Springer VS
    Baron, Daniel/Hill, Paul B. (Hrsg.)
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1007/978-3-658-18736-1_1)
  • (2017): Der Zusammenhang zwischen ökonomischer Unsicherheit, sozialer Ungleichheit und dem Kinderwunsch. In: Baron, D./Hill, P. B. (Hrsg.): Atypische Beschäftigung und ihre sozialen Konsequenzen. Wiesbaden: Springer VS, S. 157-180
    Eickemeier, Mattia-Lisa
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1007/978-3-658-18736-1_7)
  • (2017): Subjektive Prekaritätsbelastung. Erhebungsinstrumente und Befunde. In: Baron, D./Hill, P. B. (Hrsg.): Atypische Beschäftigung und ihre sozialen Konsequenzen. Wiesbaden: Springer VS, S. 95-122
    Baron, Daniel
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1007/978-3-658-18736-1_5)
  • (2017): Wer sind die Prekären? Handlungstheoretische Überlegungen und empirische Befunde. In: Baron, Daniel/Hill, Paul B. (Hrsg.): Atypische Beschäftigung und ihre sozialen Konsequenzen. Wiesbaden: Springer VS, S. 9-34
    Baron, Daniel/Hill, Paul B.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1007/978-3-658-18736-1_2)
  • (2017): Wie wirkt sich befristete Beschäftigung auf die Institutionalisierung von Partnerschaften aus? In: Baron, D./Hill, P. B. (Hrsg.): Atypische Beschäftigung und ihre sozialen Konsequenzen. Wiesbaden: Springer VS, S. 181-214
    Baron, Daniel/Rapp, Ingmar
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1007/978-3-658-18736-1_8)
 
 

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