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Entwicklung von Abscheidungsprozessen für Edelmetall-Kontaktmaterialien aus ionischen Flüssigkeiten

Fachliche Zuordnung Herstellung und Eigenschaften von Funktionsmaterialien
Förderung Förderung von 2010 bis 2013
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 191831058
 
Erstellungsjahr 2013

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die in diesem F&E-Projekt durchgeführten Arbeiten haben zu einer Vielzahl grundlegender, neuer Erkenntnisse zur Herstellung und zu den Eigenschaften von Edelmetallschichten geführt, die aus aprotischen Elektrolyten abgeschieden wurden. Die wichtigsten Resultate sind im Folgenden zusammengefasst. Die Untersuchungen haben ergeben, dass nur eine sehr begrenzte Anzahl an Edelmetallsalzen (z. B. Halogenide und Acetylacetonate) als Ausgangsverbindung zur Herstellung von nicht-wässrigen Edelmetallelektrolytsystemen, die auf ionische Flüssigkeiten (ILs) oder sogenannte tief eutektisch schmelzende Flüssigkeiten (TELs) als Lösungsmittel basieren, geeignet sind. Im Temperaturbereich von 20 bis 80 °C ist die Viskosität und elektrische Leitfähigkeit derartiger Elektrolytlösungen im Vergleich zu wässrigen Elektrolyten wesentlich höher bzw. niedriger. Dadurch waren erhöhte Elektrolytarbeitstemperaturen von 70 bis 100 °C notwendig. Diese Temperatur beeinflusst die Eigenschaften der Schichten deutlich, da Mikrorisse in Schichten mit Dicken über 1 µm feststellbar waren, die als Folge des Abkühlens von Arbeits- auf Raumtemperatur entstanden. Sie wurden durch mit steigender Schichtdicke zunehmende Makroeigenspannungen beim Beschichten verursacht. Stromdichte-Potential-Untersuchungen in ausgewählten Elektrolytsystemen (z. B. Lösungen von 1-Butyl-3-methylimidazoliumchlorid-tetrafluoroborat, Cholinchlorid/Harnstoff und Cholinchlorid/Ethylenglykol mit entsprechend gelöster Metallausgangsverbindung) zeigten, dass die elektrochemische Abscheidung von Palladium (Pd), Platin (Pt) und Ruthenium (Ru) in diesen Elektrolytsystemen sowohl diffusions- als auch kinetisch kontrolliert erfolgt. Bei vergleichbarer Grundelektrolytlösung läuft die Metallabscheidung in folgender Reihenfolge zunehmend gehemmt ab: Pd < Pt < Ru. In den untersuchten ILs (z. B. BMIM-BF4 oder BMIM-Cl-BF4) und TELs (z. B. Cholinchlorid/Harnstoff) weisen die gelösten Metallkomplexe (z. B. Chlorokomplexe) eine hohe Stabilität auf, wodurch eine sehr hohe Überspannung für die Metallabscheidung erforderlich ist. Aufgrund der hohen Viskosität, niedrigen Leitfähigkeit und vorhandenen Überspannung sind nur geringe Stromdichten (0,5 mA/cm² bis 5 mA/cm²) für die Metallabscheidung anwendbar, ohne dass sich die Elektrolytlösung in einer unerwünschten Nebenreaktion elektrochemisch zersetzt. Mit konstantem Gleichstrom konnten lediglich sehr dünne nano- bis mikrokristalline Metallfilme (Pd, Pt und Ru) mit einer Schichtdicke von < 0,1 µm abgeschieden werden. Es konnte zudem festgestellt werden, dass in nicht-wässrigen Elektrolyten mit Pulsstromabscheidung sowohl eine höhere Metallabscheiderate als auch wesentlich homogenere Edelmetallschichten abgeschieden werden können. Für eine reproduzierbare Schichtherstellung ist in den untersuchten Elektrolytsystemen eine ausreichend hohe Elektrolytumwälzung bzw. Substratbewegung unbedingt notwendig, damit ein ausreichender hoher Stofftransport der Metallionen an die Substratoberflächen gewährleistet wird. Es konnte in diesem Projekt erstmalig gezeigt werden, dass durch Zugabe eines geeigneten Additivs über die Bildung eines Metallionen-/Additiv-Komplexes die Kinetik der Metallabscheidung in IL bzw. TEL-basierten Elektrolyten stark beeinflusst bzw. deutlich verbessert werden kann. So konnte durch Zugabe geringer Mengen Nikotinsäureamid zum Pd-Elektrolyten (Cholinchlorid/Harnstoff/PdCl2) die komplexe Bindung des Pd derart herabgesetzt werden, dass die Kinetik der Pd-Abscheidung wesentlich erhöht wurde und Stromausbeuten bis über 95 % erzielt wurden. Gleichzeitig bestimmt hauptsächlich der Metallionen-/Additiv-Komplex das Wachstum der Kristallite, d. h., Einflüsse der sonstigen Abscheideparameter sowie der Eigenschaften des Substrats spielen diesbezüglich nur eine untergeordnete Rolle. Die mit Additiv abgeschiedenen Proben wiesen nanokristalline, glänzende Überzüge auf und die Schichteigenschaften bei Verwendung identischer Abscheideparameter sind reproduzierbar. Die in den Schichten vorhandenen Eigenspannungen I. bis III. Art sowie Substratdeformationen sind die Haupteinflussfaktoren auf die Verschleißeigenschaften. Die verschleißfestesten Schichten entstehen bei gepulster Abscheidung mit langer Pulsdauer (ton = 4 s) und langer darauffolgender Pause (toff = 10 s). Wärmebehandlungen (200 °C, 1 h) hatten eine Abnahme der Makro- sowie Mikroeigenspannungen zur Folge, verursachten jedoch merkliches Kristallitwachstum in der Schicht und im Substrat, sowie Diffusion von Cu aus dem Substrat in die Schicht. Vorhandene Mikrorisse verbreiterten sich, sodass sich die Wärmebehandlung nicht positiv auf die Schichtqualität auswirkte. Im Projekt hergestellte Schichten und Referenzschichten aus wässrigem Elektrolytsystem erreichten ähnliche Werte des Kontaktwiderstands. Bei dieser wichtigen Eigenschaft für Kontaktmaterialien sind die neuartigen Schichten daher mit Schichten nach dem Stand der Technik vergleichbar. Bei Abscheidung aus wässrigem Elektrolyt trat jedoch eine deutliche Schichtversprödung auf. Diese konnte durch die Verwendung des neuentwickelten nicht-wässrigen Systems (ChCl-Urea-PdCl2) vermieden werden. Eines der Hauptanliegen des Vorhabens, das Vermeiden von wasserstoffinduzierter Versprödung, wurde damit für Pd-Schichten erreicht und stellt somit eine sehr gute Grundlage für eine mögliche, spätere Umsetzung auf industrielle Prozesse dar. Die Ergebnisse des F&E-Projektes zeigen auf, dass aus ionischen Flüssigkeiten und vergleichbaren nicht-wässrigen Lösungsmitteln (z. B. tief eutektisch schmelzende Lösungen) Edelmetalle wie Pd, Pt und Ru elektrochemisch quasi ohne Mitabscheidung von Wasserstoff abgeschieden werden können und dadurch die wasserstoffinduzierte Versprödung vermieden werden kann. Aufgrund der hohen Viskosität und geringen elektrischen Leitfähigkeit werden für eine erfolgreiche Edelmetalldeposition vergleichsweise hohe Elektrolytarbeitstemperaturen benötigt und die bislang erreichten Metallabscheideraten (vor allem für Pt und Ru) sind für technische Anwendungen noch als zu niedrig anzusehen. Die Versuchsergebnisse mit dem neu entwickelten Pd-Elektrolytsystem „Cholinchlorid/Harnstoff/PdCl2/Nikotinsäureamid“ weisen aber auch daraufhin, dass durch Ausarbeitung einer geeigneten Kombination von Grundelektrolytsystem, Additivzusatz, Stromform und Elektrolytumwälzung eine unerwartet deutliche Verbesserung der Abscheiderate, Stromausbeute und Schichtqualität für die Edelmetallabscheidung aus nicht-wässrigen Elektrolytsystemen, die auf ionische Flüssigkeiten oder tief eutektisch schmelzenden Lösungen basieren, möglich wird. Sowohl durch Anwendung von Pulsstrom während der Metallabscheidung als auch durch Zugabe von selektiven Additiven besteht noch ein erhebliches Forschungspotenzial für die Edelmetallabscheidung aus nicht-wässrigen Elektrolytsystemen sowie die daraus resultierenden Schichteigenschaften.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Entwicklung von Abscheideprozessen für Edelmetall-Kontaktmaterialien aus ionischen Flüssigkeiten, Oberflächentage 2012, ZVO-DGO, 26.-28.09.2012, Darmstadt
    G. Lanzinger, R. Böck, R. Freudenberger, V. Rogoll, T. Mehner, M. Nier, T. Lampke, I. Scharf und D. Nickel
  • Abscheideprozess für Edelmetall-Kontaktmaterialien, ZVO-Report 1, Januar 2013
    G. Lanzinger und R. Böck
  • Effect of additive and current mode on surface morphology of palladium films from a non-aqueous deep eutectic solution (DES), J. Appl. Electrochem., 2013
    R. Böck, G. Lanzinger, R. Freudenberger, T. Mehner, I. Scharf, D. Nickel and T. Lampke
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1007/s10800-013-0608-4)
  • Electrodeposition of palladium films from ionic liquid (IL) and deep eutectic solutions (DES): physical-chemical characterisation of non-aqueous electrolytes and surface morphology of palladium deposits, Trans. Inst. Met. Fin. 91 (3), 2013 p. 133
    G. Lanzinger, R. Böck, R. Freudenberger, T. Mehner, I. Scharf and T. Lampke
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1179/0020296713Z.00000000097)
  • Impact of organic additive and current mode on surface morphology of palladium films from a deep eutectic solvent (DES), Nanocoatings 2013, July 8.-9., Milano, Italy
    R. Böck, G. Lanzinger, T. Mehner und T. Lampke
  • Structural Characterization and Wear Investigations of Palladium Layers Electrochemically Deposited Using Ionic Liquids, Adv. Eng. Mater., 2013
    T. Mehner, D. Nickel, S. Nehrkorn, G. Lanzinger, R. Böck and T. Lampke
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1002/adem.201300117)
 
 

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