Deutsche Städte im demographischen Wandel. Wohnstandorte und Lebenskonzepte der künftigen Seniorinnen und Senioren
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Ziel dieses Projektes war es, die Lebenskonzepte der heutigen Generation 50plus für ihren zukünftigen Ruhestand zu analysieren. Dabei sollte überprüft werden, inwieweit diese Generation, die zahlreiche gesellschaftliche Veränderungen initiiert und erlebt hat, im Alter anders zu handeln beabsichtigt als die jetzige Seniorengeneration. Als weiteres Ziel schloss sich an, generelle Aussagen über die Auswirkungen des demographischen Wandels und neuer Lebenskonzepte für das Alter auf Raumstrukturen zu formulieren. Es wurden neun deutsche Städte mit unterschiedlichen raumstrukturelle Charakteristika ausgewählt: München und Berlin als Metropolen mit sehr unterschiedlichen Arbeits- und Wohnungsmärkten, Mannheim, Bochum und Leipzig als Großstädte in prosperierenden, wachsenden und schrumpfenden Regionen, Aachen und Karlsruhe als Großstädte außerhalb von Metropolregionen und die Mittelstädte Schwerin und Kaiserslautern. In der Untersuchung wurden qualitative und quantitative Methoden kombiniert. Für die Analyse wurde eine umfangreiche Datenbasis generiert: 140 qualitative Interviews und rd. 5.500 Fragebögen konnten in die Auswertung eingehen. In der aktuellen Diskussion zum demographischen Wandel wird immer wieder die räumliche Mobilität von Seniorinnen und Senioren thematisiert und diese Altersgruppe als potentielle Träger einer Reurbanisierung ausgemacht. Jedoch muss nach unseren Ergebnissen eher weiterhin eine große Persistenz der zukünftigen Senioren erwartet werden, was mit der hohen Zufriedenheit und der großen Identifikation mit dem aktuellen Wohnstandort und dem Wohnumfeld sowie die zum Teil hohen Eigentumsquoten begründet werden kann. Das sogenannte „aging in place“ kann damit als die Präferenz schlechthin der Generation 50plus in Deutschland ausgemacht werden. Die Befragten in den untersuchten Großstadtregionen planen weder in größerem Ausmaß, ihre Städte im Alter zu verlassen, noch zieht es die ehemaligen „Suburbaniten“ in großer Zahl in die Städte. Wenn überhaupt eine Verlagerung des Wohnsitzes angedacht wird, dann ist dies ein intraregionaler Umzug oder für manche ein Umzug in das Ausland. Weitaus mehr Befragte liebäugeln damit, nur einen Teil des Jahres an einem anderen Standort, z.B. dem der Ferienwohnung, zu verbringen, d.h. in multilokalen Arrangements zu leben. Unsere Untersuchungsergebnisse zeigen demnach insgesamt eher Ansätze einer Sub- oder Counterurbanization als Reurbanisierungstendenzen. Das Phantom des rüstigen „Reurbaniten“ geistert durch mancherlei Diskurse und mag durchaus dem heimlich gehegten Wunsch mancher Stadtpolitiker und Stadtforscher entsprechen. In Städte zurückkehrende „Suburbaniten“ sind in Einzelfällen zwar durchaus zu beobachten, sie treten jedoch weder in Wanderungsstatistiken noch in empirischen Studien wie der durchgeführten in größerer Zahl in Erscheinung. Wenn man eine Renaissance der Städte jedoch daran festmacht, dass Städte heute weniger oft als früher verlassen werden, dann sind auch für die Generation 50plus Reurbanisierungstendenzen feststellbar. Begründet werden kann dieser Trend zudem auf der individuellen Ebene mit der bisherigen Wohnbiographie der Personen sowie auf der strukturellen Ebene mit Restriktionen des Wohnungsmarktes und befürchteten Einbußen des Haushaltseinkommens mit dem Eintritt in den Ruhestand.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- (2009): Der „zweite demographische Wandel“ in Deutschland. Prozesse und Folgen in räumlicher Differenzierung. In: H. Popp u. G. Obermeier (Hrsg.): Raumstrukturen und aktuelle Entwicklungsprozesse in Deutschland (Bayreuther Kontaktstudium, Band 5). Bayreuth, S. 37-52
Pfaffenbach, C.
- (2009): Persistence Preferred – on Future Residential (Im)Mobility among the Generation 50plus. In: Erdkunde, Vol. 63, No.2, S. 161-172
Kramer, C./ Pfaffenbach, C.
- (2009): „Jetzt brauch' ich keinem mehr zu gefallen, nur noch mir“ – Wohnwünsche, Lebensstile und Altersbilder der Generation 50plus in einer Genderperspektive. In: Blättel-Mink, B./ Kramer, C. (2009) (Hrsg.): Doing Aging – Weibliche Perspektiven des Älterwerdens. Schriften des Heidelberger Instituts für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung e.V. (HIFI), Band 7, Baden- Baden, S. 19-34
Kramer, C./ Pfaffenbach, C.
- (2011): Junge Alte als neu „Urbaniten“? Mobilitätstrends der Generation 50plus. In:. Raumforschung und Raumordnung 26, S. 79-90
Kramer, C./ Pfaffenbach, C.
- (2013): Demographie und Bevölkerung. In: Freytag, T./ Lippuner, R./ Lossau, J. (Hrsg.): Schlüsselbegriffe der Kultur- und Sozialgeographie. Stuttgart, S. 124-137
Hannah, M./ Kramer, C.
- (2013): Ruhestandsmigration der deutschen Nachkriegskohorte. Umzugsneigungen und Umzugspläne im Übergang zum Ruhestand aus individueller Perspektive. Dissertation, Karlsruher Institut für Technologie
Kappler, M. F.
- (2013): Wie die Senioren der Zukunft wohnen. In: DFG forschung SPEZIAL Demografie S. 24-27
Kramer, C./ Pfaffenbach, C.
- (2015): Should I stay or should I go? Housing preferences upon retirement in Germany. Journal of Housing and the Built Environment, June 2016, Volume 31, Issue 2, pp 239–256. First publ. 2015
Kramer, C./ Pfaffenbach, C.
(Siehe online unter https://doi.org/10.1007/s10901-015-9454-5)