Polychrome Entwürfe höfischer Welten: Farben und ihre Semantiken in erzählender Literatur des 12. und 13. Jahrhunderts
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die im Rahmen des Projekts entstandenen Publikationen dokumentieren auf unterschiedlichen Ebenen den großen Erkenntnisgewinn, den eine kulturtheoretisch ausgerichtete, textzentrierte Aufarbeitung der Farbevokationen von Heldenepik und Höfischem Roman des 12. und 13. Jahrhunderts hervorzubringen vermag. Auf der Grundlage einer systematischen Durchsicht des gesamten Textcorpus konnten die spezifisch literarischen Verfahren sprachlicher Farbimaginationen in erzählenden Genres in ihrer Replik auf Verfahren einer christlichen Hermeneutik erstmals detailliert beschrieben werden. In diskurshistorischer Hinsicht stellen sowohl die erzählten Einzelfarben als auch die unterschiedlich konkretisierten Evokationen von Farbigkeit und Farblosigkeit einen wesentlichen Baustein einer die Texte auszeichnenden Poetik der Visualität dar. Die Funktion erzählter Farben und Farbigkeit lässt sich gattungsdistinkt bestimmen. Für das Heldenepos bieten Farballusionen und -codierungen die Möglichkeit, Voraussetzungen und Problemlagen jener in den Texten poetisierten Formen adeliger Herrschaft affirmativ, bewertend oder kritisch zu akzentuieren. Im Höfischen Roman hingegen fungieren sie als wesentliche Bestandteile von im Rahmen des antik-christlichen Schönheitsdiskurses ausgehandelten Fragen nach den Grundlagen, den Normen und den Gefährdungen adeliger Identität. Gattungsübergreifend fungieren Farbcodierungen als zentrale Medien erzählender Literatur, insofern sie eine spezifische Ebene von Bewertungen und Kommentierungen des erzählten Plots bilden. Gegenüber der Ausgangshypothese der Projektarbeit, die die mittelalterliche Polychromie als Medium von personaler und gesellschaftlicher Repräsentation auch in der Literatur zu fassen suchte, führte die Arbeit an den Teilprojekten hier zu einer entscheidenden Präzisierung: sprachlich evozierte Farben und ihre Codierungen bilden für erzählende Texte ein entscheidendes Fundament für eine nicht-rational begründende Form der Einflussnahme auf die Rezipienten der Texte. Ob als zentraler Marker eines Orientialismusdikurses der Vormoderne oder als ambivalentes Zeichen einer irisierenden Wirkung weiblicher Schönheit, ob als Code für fundamentale gesellschaftliche und personale Krisen oder als verbürgendes Zeichen christlicher Herrschaftsansprüche: Erzählte Farben und Farbigkeit sind feste Bausteine literarischer Imagination, die mentale Einstellungen von langer Dauer über die Vormoderne hinaus entscheidend zu prägen vermögen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- Vom Fall in die Farbe. Chromophilie in Wolframs von Eschenbach Parzival, in: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 130 (2008), S. 459-482
Monika Schausten
(Siehe online unter https://dx.doi.org/10.1515/bgsl.2008.052) - Ein Held sieht Rot. Bildanthropologische Überlegungen zu Wolframs Parzival, in: Sehen und Sichtbarkeit in der Literatur des Mittelalters. Hrsg. von Ricarda Bauschke-Hartung, Sebastian Coxen und Martin Jones. Berlin 2011, (Trends in Medieval Philology), S. 177-191
Monika Schausten
(Siehe online unter https://doi.org/10.1524/9783050055954.177) - Die Farben imaginierter Welten. Zur Kulturgeschichte ihrer Codierung in Literatur und Kunst vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Berlin 2012 (Literatur – Theorie – Geschichte. 1)
Monika Schausten (Hg.)
(Siehe online unter https://doi.org/10.1524/9783050060682) - Die Farben der Herrschaft. Imagination, Semantik und Poetologie in heldenepischen Texten des deutschen Mittelalters. Berlin 2014 (LTG. 5)
Mareike Klein
(Siehe online unter https://doi.org/10.1524/9783050065199) - Die Farben höfischer Körper. Farbattribuierung und höfische Identität in mittelhochdeutschen Artus- und Tristanromanen. Berlin 2014 (LTG. 6)
Carolin Oster
(Siehe online unter https://doi.org/10.1524/9783050065342)