Dynamische frequenz- und zeitabhängige Raummodellierung für die akustische Simulations- und Aurilisationstechnik
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die weitverbreitetsten Raumsimulationsprogramme nutzen geometrische Prinzipien bei der Prädiktion der Schallausbreitung. Der Detailgrad (Level-of-Detail) des zugrundeliegenden CAD-Modells hat dabei wesentlichen Einfluss auf die Ergebnisse, wobei unter Berücksichtigung der Wellenlängenabhängigkeit von Reflexionen an nicht-glatten Oberflächen nicht das Modell mit den meisten Details das Richtige ist. Vielmehr muss der Detailgrad an die jeweilige Frequenz des einfallenden Schalls angepasst sein, damit die Flächen immer hinreichend groß im Vergleich zur Wellenlänge sind. Diese Algorithmen wurden während des Projektes implementiert. Dafür wurde eine effiziente C++ Bibliothek entwickelt, die die Anpassung an die Frequenz vornimmt. Ein Raummodell wird parallel in verschiedenen Auflösungen geladen und mittels der für geometrische Operationen schnellsten räumlichen Datenstruktur, dem sogenannten Binary Space Partitioning, in einer gemeinsamen Baumstruktur organisiert. Die Rechendauer der zur Zeit populären und auch in diesem Projekt genutzten Kombination aus Spiegelquellen und Ray Tracing wird hauptsächlich durch das Ray Tracing bestimmt, da hier eine sehr hohe Anzahl an Schnittpunkttests durchgeführt werden muss. Diese Tests werden nun von der neu entwickelten Klasse bearbeitet und dabei verzögerungsfrei zwischen den verschiedenen Modellauflösungen geschaltet, je nach aktueller Frequenz. Im Vergleich zu einem Modell mit sehr hoher Auflösung wird hier eine deutliche Beschleunigung erreicht; in den durchgeführten Versuchen lag sie bei einer Geschwindigkeitsverdopplung. Im Gegenteil dazu wird beim Spiegelquellenverfahren die Rechendauer erhöht, falls die frequenzabhängige Auswahl der Geometrie aktiviert wird, da nun in jedem Modell einzeln die Hörbarkeitstest laufen müssen. Im Echtzeitbetrieb macht es daher Sinn, für die Spiegelquellen ein einziges Modell aus dem Set auszuwählen und dieses an die gegeben Situation aus Quell- und Empfängerposition, dem umgebenden Raum und die verfügbare Rechenkraft anzupassen. So können auch große Szenen simuliert werden, indem für weit entfernte oder räumlich getrennte Schallquellen die vereinfachten Modelle herangezogen werden. Bisher war auch unbekannt, bis hin zu welchen räumlichen Details das menschliche Hörvermögen empfindlich ist. Der maximal nötige Detailgrad wurde nun perzeptiv ermittelt und für ein exemplarisches Beispielszenario sowie zusätzlich für eine ganze Reihe von abstrahierten artifiziellen Raummodellen in Hörversuchen ermittelt. Die Sensitivität für Änderungen in der Feinstruktur fiel bei den Experimenten unter die Hörbarkeitsschwelle, wenn deren Ausmaße einen mittleren Wert von 60- 70 cm unterschritten haben. Diese Erkenntnis kann dabei nur exemplarischen Charakter haben, da es immer möglich ist, Sonderfälle zu konstruieren, bei denen auch kleinere Objekte akustisch relevante Auswirkungen haben. Es ist nun aber erstmals ein Anhaltspunkt verfügbar, anhand dessen man sich bei der Modellierung orientieren kann. Um für echtzeitfähige Raumsimulationen großer oder komplexer Szenarien zusätzlich Rechenlast einzusparen, wurde der entwickelte Level-of-Detail-Controller zusätzlich mit einer zeitabhängigen Komponente versehen. Hierbei wird für Reflexionen höherer Ordnungen in der Impulsantwort ebenfalls auf Modelle mit weniger Details umgeschaltet. Dies konnte in den durchführten Versuchen die Simulationszeit weiter auf ein Drittel verkürzen und bietet damit eine noch größere Beschleunigung als die frequenzadaptive Optimierung. Hintergrund ist die im Projekt bestätigte Annahme, dass späte Reflexionen im Allgemeinen diffuser Natur sind und daher die exakte von der Raumform bestimmte Richtungsverteilung nicht mehr von sehr hoher Bedeutung ist. Für die Verdreifachung der Geschwindigkeit wurde ab der vierten Reflexion kontinuierlich auf vereinfachte Modelle geschaltet, begründet mit der Erkenntnis, dass ab diesem Zeitpunkt die diffusen Energieanteile in der Impulsantwort dominieren. Die implementierte und untersuchte Methode ist sehr erfolgversprechend für physikalisch basierte Auralisierungsprogramme, die gleichzeitig Echtzeitanforderungen erfüllen müssen, wie z.B. beim Einsatz von interaktiven Raumakustiksimulationen in der virtuellen Realität. Bisher müssen die abgestuften Modelle manuell konstruiert werden. Mit zu erwartenden Verbesserungen der automatisierten Vereinfachungsalgorithmen aus der Computergrafik (wie z.B. Marching Cubes), kann der Level-of-Detail-Ansatz in Zukunft direkt in die Simulationssoftware integriert werden, mindestens jedoch als Vorverarbeitungsstufe dienen. Ein weiteres wichtiges Thema für die zukünftige Forschung liegt im Bereich der automatischen Erfassung von passenden Streukoeffizienten, die stark abhängig von den strukturellen feinen Details und ihrer geometrischen Orientierung sind und daher im Falle einer automatischen Geometrievereinfachung ebenfalls möglichst automatisch erfasst werden sollten.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- “Frequency- and Time-dependent Geometry for Real-time Auralizations”, Proceedings ICA 2010, 20th International Congress on Acoustics : 23 - 27 August 2010, Sydney, New South Wales, Australia
Sönke Pelzer and Michael Vorländer
- “Investigation of the effects of temporal fine structure variations on the reproducibility of simulated room impulses responses”, in Acta acustica united with Acustica Vol. 96(Suppl. 1)1st EAA EuroRegio 2010, Congress on Sound and Vibration, 15 - 18 September 2010, Ljubljana, Slovenia
Sönke Pelzer, Marc Aretz and Michael Vorländer
- “Room Modeling for Acoustic Simulation and Auralization Tasks: Resolution of Structural Details”, in Fortschritte der Akustik : 36. DAGA 2010, Berlin
Sönke Pelzer, Hans-Joachim Maempel, Michael Vorländer
- “Quality assessment of room acoustic simulation tools by comparing binaural measurements and simulations in an optimized test scenario”, Acta acustica united with Acustica Vol. 97(S1) / Forum Acusticum 2011, Aalborg - Denmark, 6th European Congress on Acoustics : 27 June - 01 July 2011, Aalborg, Denmark
Sönke Pelzer, Marc Aretz and Michael Vorländer
- “The number of necessary rays in geometrically based simulations using the diffuse rain technique”, Fortschritte der Akustik - DAGA 2011, Düsseldorf
Sönke Pelzer, Dirk Schröder and Michael Vorländer
- “Influence of scattering on the prediction of room acoustic parameters”, Akustika - odborný časopis o akustice a vibracích, No. 17, p. 27-29, Czech Republic, 2012. ISSN 1801-9064
Shtrepi, L., Pelzer, S., Rychtáriková, M. and Astolfi, A.
- “Spatial and temporal resolution in simulations with geometrical acoustics”, in Proceedings of Inter- Noise 2012 : August 19 - 22, New York City, USA
Michael Vorländer and Sönke Pelzer
- “Computer simulations in room acoustics – concepts and uncertainties”, J. Acoust. Soc. Am. 133 (3) [2013], 1203-1213
Vorländer, M.