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Verformungsverhalten eines Duplexstahls im gealterten Zustand

Fachliche Zuordnung Metallurgische, thermische und thermomechanische Behandlung von Werkstoffen
Förderung Förderung von 2008 bis 2011
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 72353757
 
Erstellungsjahr 2012

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Der Duplexstahl SAF 2205 (DSS 1.4462) besteht aus einer ferritischen und einer austenitischen Phase und unterliegt im Temperaturbereich von 280°C bis 512°C der 475°C-Versprödung. Die 475°C-Versprödung grenzt sich durch den niedrigen Temperaturbereich deutlich von der Sigma-Phasen-Versprödung ab, welche ab 600°C auftritt. Wie dem Antrag zu entnehmen ist, ist die Veränderung der mechanischen Eigenschaften, der Versprödungsmechanismus und die Versprödungskinetik hinsichtlich einer alleinigen Temperatureinwirkung umfassend untersucht und verstanden. Das Ermüdungsverhalten in dehnungsgeregelten Versuchen bei Raumtemperatur ist einschließlich der sich ausbildenden Versetzungsstrukturen sehr gut dokumentiert und diskutiert. Im Gegensatz dazu ist das Hochtemperaturermüdungsverhalten in dehnungsgeregelten Versuchen von DSS im Temperaturbereich bis 500°C mit und ohne Vorversprödung des DSS nur in wenigen Artikeln veröffentlicht. Zum Zeitpunkt der Antragsstellung war keine Publikation bekannt, die den Einfluss einer zyklischen plastischen Verformung oder einer einmaligen plastischen Verformung auf den Versprödungsmechanismus beschreibt. Daher war die Ausgangshypothese, dass eine zyklische plastische Verformung im Temperaturbereich der 475°C-Versprödung die Versprödungskinetik aufgrund der zusätzlich eingebrachten Verformungsenergie beschleunigt. Während der Projektbearbeitung wurde eine Veröffentlichung publiziert, welche an vorab vollständig versprödetem DSS durch eine zyklische plastische Verformung mikrostrukturell eine Abnahme der spinodalen Entmischung feststellt. Daher wurde eine zweite Hypothese aufgestellt, dass an vorab vollständig versprödetem DSS die zyklische mechanische Belastung zu einer makroskopisch messbaren Veränderung der mechanischen Eigenschaften führen sollte. Zur Klärung der Richtigkeit der Arbeitshypothesen wurden kraftgeregelte isotherme Ermüdungsversuche bei 475°C und einer Spannungsamplitude von 375MPa durchgeführt und vor dem Versagen der Probe abgebrochen, um in nachfolgenden mechanischen Versuchen und elektronenmikroskopischen Untersuchungen den bei Abbruch der Ermüdungsversuche vorliegenden Versprödungszustand zu messen. In einer Versuchsreihe wurden Ermüdungsversuche an vorab nicht versprödetem DSS durchgeführt. Die gewählte Spannungsamplitude führte zu Beanspruchung im mittleren bis oberen High-Cycle-Fatigue-Bereich (HCF). Die vor dem Probenversagen abgebrochenen Ermüdungsversuche belegen mit zunehmender Lastwechselzahl bis zum Versuchsabbruch in den anschließenden mechanischen Untersuchungen eine Zunahme der Zugfestigkeit und eine Abnahme der Kerbschlagarbeit. Die Mikrostruktur im Transmissionselektronenmikroskop (TEM) erwies eine Zunahme der Versetzungsdichte durch die zyklische Verformung in beiden Werkstoffphasen (α+γ) gegenüber dem nicht ermüdeten und vorab nicht versprödeten Ausgangszustands des DSS. In der Mikrostruktur der ferritischen Phase ist auch nach der längsten Versuchszeit keine α’-Ausscheidung zu erkennen, sodass keine ausgeprägte oder gar vollständig abgeschlossene Versprödung des Werkstoffs festzustellen ist. Als Referenz wurden Proben aus vorab nicht versprödeten DSS für die Versuchszeiten der Ermüdungsversuche unter identischen Bedingungen geglüht, um den singulären Einfluss der Temperatur auf die mechanischen Eigenschaften zu charakterisierten. Ein Vergleich der mechanischen Eigenschaften des ermüdeten DSS und des nur geglühten DSS zeigt eine zeitlich gleiche Abnahme der Kerbschlagarbeit und eine zeitlich gleiche Zunahme der Zugfestigkeit, sodass kein Einfluss der zyklischen plastischen Verformung auf den Versprödungsmechanismus und die Versprödungskinetik festgestellt wurde. In einer weiteren Versuchsreihe wurde die erste Versuchsreihe mit höherer Ermüdungsfrequenz an vorab nicht versprödeten DSS wiederholt, um den Einfluss der thermisch hervorgerufenen Versprödung zu minimieren und einen möglichen Einfluss der plastischen Verformung auf die Versprödung hervorzuheben. Wie in der ersten Versuchsreihe ist in der ferritischen Phase im TEM keine α’-Entstehung zu beobachten, sodass auch hier in der Mikrostruktur keine Anzeichen einer Versprödung zu beobachten sind. Die beobachtete Versetzungsstruktur zeigt im Vergleich zu den Versuchen der ersten Versuchsreihe in der ferritischen Phase eine homogenere Versetzungsverteilung und eine insgesamt höhere Versetzungsdichte. In der austenitischen Phase ist im Vergleich zur ersten Versuchsreihe auch eine höhere Versetzungsdichte zu beobachten. Dies ist ein Anzeichen, dass die Ermüdungsfrequenz bei diesem DSS einen Einfluss auf die Mikrostruktur hat und so möglicherweise auch den Versprödungsmechanismus beeinflusst. Die Veränderung der Kerbschlagarbeit und der Zugfestigkeit des DSS der abgebrochenen Ermüdungsversuche dieser zweiten Versuchsreihe ist schneller, als in den Referenzversuchen der nur thermisch geglühten Referenzproben. In einer letzten Versuchsreihe wurden die Experimente der ersten genannten Versuchsreihe an vorab vollständig versprödeten DSS mit der gleichen Frequenz wiederholt. Dabei werden bei der gewählten Spannungsamplitude der Ermüdungsversuche Bruchlastspielzahlen im HCF-Bereich erreicht. Nach erfolgter Ermüdung sind in beiden Phasen des vorab vollständig versprödeten DSS Versetzungen beobachtet worden, während im nicht ermüdeten Ausgangszustand praktisch keine Versetzungen vorlagen. Die Kerbschlagarbeit als auch die Zugfestigkeit sind für den vorab vollständig versprödeten DSS unabhängig von der eingebrachten Ermüdung immer gleich. Daher ist davon auszugehen, dass bei vorab vollständig versprödeten DSS bei den verwendeten Versuchsbedingungen kein Einfluss der Ermüdung auf den Versprödungszustand vorhanden ist. Dies wird auch in den beobachteten α’- Ausscheidungen in der ferritischen Phase deutlich, die als Nachweis für einen stark versprödeten Zustand gelten. Werden die Wechselverformungskurven der kraftgeregelten Ermüdungsversuche in einer Auftragung der plastischen Dehnungsamplitude über der Zyklenzahl für den vorab nicht versprödeten DSS der ersten Versuchsreihe mit Wechselverformungskurve der dritten Versuchsreihe an vorab vollständig versprödeten DSS verglichen, dann ist zu erkennen, dass die anfängliche zyklische Verfestigung für den vorab nicht versprödeten DSS wesentlich stärker ist, als für den vorab vollständig versprödeten DSS. Eine stärkere zyklische Verfestigung für vorab nicht versprödeten DSS in dehnungsgeregelten Ermüdungsversuchen ist bereits beobachtet worden. Nach der anfänglichen zyklischen Verfestigung überlagern sich die Verläufe der Wechselverformungskurven des vorab vollständig versprödeten DSS und des vorab nicht versprödeten DSS. Die insgesamt höhere plastische Dehnungsamplitude des transienten Verhaltens der Proben des vorab nicht versprödeten DSS spiegelt sich auch in den Versetzungsstrukturen wider. Diese zeigen für den vorab nicht versprödeten DSS in der ferritischen Phase Bereiche mit sehr hoher Versetzungsdichte, während für den vorab vollständig versprödeten DSS in der ferritische Phase eine homogen verteilte Versetzungsanordnung mit einer Zellstrukturen im Anfangsstadium zu erkennen ist. Die Ergebnisse belegen, dass die zyklische mechanische Belastung keinen signifikanten Einfluss auf den Versprödungsmechanismus und die Versprödungskinetik hat, wenn eine Spannungsamplitude im HCF-Bereich in den Ermüdungsversuchen genutzt wird. Damit kann die Auslegung gering belasteter Bauteile weiterhin nach den vorhandenen und verwendeten Richtlinien und Kennwerten erfolgen. Interessant von wissenschaftlicher Seite, aber auch in der praktischen Anwendung ist, ob größere plastische Verformungen, beispielsweise im Low- Cycle-Fatigue-Bereich (LCF), den Versprödungsmechanismus beeinflussen. Daher läuft aktuell eine Diplomarbeit, welche die bisherige Versuchsführung auf eine zyklische mechanische Beanspruchung mit großer plastischer Dehnung überträgt. Weiterer Untersuchungsbedarf besteht in der Versprödungskinetik im unteren Temperaturbereich der 475°C-Versprödung, beispielsweise zwischen 300°C und 350°C. Hier wäre ein technischer Einsatz in der Praxis aufgrund der im nicht versprödeten Zustand vorliegenden guten mechanischen Eigenschaften des DSS für viele praktische Anwendungen interessant. Sollte die Versprödung bei dieser Temperatur ausreichend langsam verlaufen, sodass der Werkstoff über Jahre ohne sicherheitsrelevante Einschränkungen genutzt werden könnte, wäre ein Einsatz eventuell auch wirtschaftlich möglich. Es sind keine Veröffentlichungen bekannt, die die Versprödung im unteren Temperaturbereich untersuchen. Eine Aufklärung des Versprödungsverhalten wäre in einer Industriekooperation denkbar. Aufgrund der langsamen Versprödungskinetik im unteren Temperaturbereich der 475°C-Versrpödung sind als Rahmenbedingung für die Forschung die zu erwartenden sehr langen Versuchszeiten zu beachten.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Effect of 475°C embrittlement on the mechanical properties of duplex stainless steel. Materials Science and Engineering A 508 (2009), 1-14
    Sahu, J.K.; Krupp, U.; Ghosh, R.N.; Christ, H.-J.
  • 475°C Embrittlement and Room Temperature Fatigue of Duplex Stainless Steel, in: Proc. Of 18th European Conference of Fracture “Fracture of Materials and Structures from Micro to Macro Scale, D. Klingbeil, M. Vormwald, K.-G. Eulitz (Hg.), DVM, Berlin, 2010 Paper-ID 89 (CD- ROM), Dresden, 30.08.2010 bis 3.09.2010, Artikelnummer #500, Beitrag B.06.6-5
    Wackermann, K., Sahu, J.K., Christ, H.-J.
  • Effect of 475°C Fatigue on the 475°C Embrittlement of Duplex Stainless Steel, in: Materials Science and Engineering 2010, Darmstadt, 24.08.2010 bis 26.08.2010
    Wackermann, Christ, H.-J.
  • Low cycle fatigue behaviour of duplex stainless steel: influence of isothermal aging treatment. Fatigue & Fracture of Engineering Materials & Structures 33 (2010), 77–86
    Sahu, J.K.; Ghosh, R.N.; Christ, H.-J.
 
 

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