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SFB 813:  Chemie an Spinzentren - Konzepte, Mechanismen, Funktionen -

Fachliche Zuordnung Chemie
Biologie
Förderung Förderung von 2009 bis 2017
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 60803019
 
Erstellungsjahr 2018

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Der Sonderforschungsbereich 813 (SFB 813) widmete sich der Chemie an Spinzentren. Unter Spinzentren verstand der SFB Moleküle, Ionen, (Bio)Polymere und deren Aggregate, die durch ungepaarte Elektronen gekennzeichnet sind. Der Verbund untersuchte dabei Spinzentren, dessen ungepaarten Elektronen bereits im elektronischen Grundzustand vorhanden sind, aber auch Spinzentren, die durch optische Anregung in einem ihrer elektronisch angeregten Zustände erzeugt werden. Im Vergleich zu den allgegenwärtigen Systemen, die ausschließlich gepaarte Elektronen aufweisen, sind die chemischen Reaktivitäten, die physikochemischen Eigenschaften und die Spektroskopie von Spinzentren durch eine deutlich höhere Komplexität geprägt. Das Ziel des Sonderforschungsbereiches war es daher, solche Spinzentren im Laboratorium herzustellen, ihre oft extrem schnellen und unselektiven chemischen Reaktionsmuster zu kontrollieren, ihre molekulare und elektronische Struktur mit Hilfe von hochmoderner Spektroskopie und quantenchemischer Rechnung zu erforschen und – sofern möglich – die daraus gewonnenen Erkenntnisse bei der Entwicklung neuartiger Materialien mit faszinierenden elektrischen und/oder magnetischen Eigenschaften zu nutzen. In den Bereichen der Organometallchemie und Katalyse gelang es dem SFB 813 neue Konzepte für eine Reihe von atom-ökonomischen –und daher nachhaltigen– katalytischen Transformationen zu entwerfen, die auf oxidativen Additions- und reduktiven Eliminierungsreaktionen basieren und die gekoppelte 1-Elektronen-Transfer- und Spindichte-Transferschritte zwischen Übergangsmetallzentren und Hauptgruppenelementen beinhalten. In diesem Sinne wurde beispielsweise ein bifunktionaler Titanocen(III)-Katalysator maßgeschneidert, der auf elegante Weise in der Lage ist, eine Ringöffnung von Epoxiden herbeizuführen und dabei gleichzeitig als Wasserstoff-Atomtransfer-Reagenz zu wirken. Innerhalb der Radikalchemie repräsentiert diese einzigartige duale Funktionalität einen wichtigen Schritt mit wegweisender Bedeutung für die Kontrolle der Enantioselektivität eines Katalysators. Durch die Entdeckung einer niedervalenten dimeren Silizium-Verbindung, die durch N-heterozyklische Carbene stabilisiert wurde, gelang dem SFB 813 ein spektakulärer Zugang in die faszinierende Chemie des Siliziums. Diese besondere Spezies ermöglichte die erstmalige Isolierung eines Übergangsmetallkomplexes mit einer Metall-Silizium-Dreifachbindung sowie die erstmalige Synthese eines stabilen Silanons mit einer Silizium-Suaerstoff-Doppelbindung. Diese bemerkenswerten Entdeckungen sind von außerordentlicher Relevanz für die chemische Industrie, z.B. bei der Katalysatorentwicklung oder der Herstellung neuer Silizium-basierter Kunststoffe mit einzigartigen Eigenschaftskombinationen. Ein wahrer Durchbruch gelang dem SFB 813 auf dem Gebiet der Strahlenchemie durch seine Bemühungen um ein besseres Verständnis der optischen Spektroskopie und der chemischen Reaktivität der „Mutter aller Spinzentren“, das solvatisierte Elektron. Speziell gelang es dem SFB durch Implementierung der Multiphoton-Ionisations-Tast-Spektroskopie mit abstimmbaren Femtosekunden-Laserimpulsen die Folgereaktionen der negativen Ladungsträger zeitaufgelöst zu beobachten. Dabei wurde erstmalig das von Sir Humphry Davy bereits vor mehr als 200 Jahren beschriebene System des solvatisierten Elektrons in flüssigem Ammoniak untersucht, wobei die Ladungsträger allerdings nicht auf chemische Weise durch Lösen von Alkalimetallen hergestellt wurden, sondern durch ultrakurze optische Anregung des reinen Solvens generiert wurden. Solche Untersuchungen stellen wichtige experimentelle Benchmark-Tests dar, die zur Entwicklung einer umfassenden Theorie der Elektronenstruktur von kondensierten Vielteilchensystemen mit strukturdynamischer Unordnung vonnöten sind. Photochemische Verfahren wurden ebenfalls angewendet, um transiente, hochreaktive Übergangsmetall-Spinzentren zu erzeugen. Ganz konkret wurden Azidoeisen(III)-Vorstufen genutzt, um durch einen ultraschnellen, lichtinduzierten homolytischen N-N-Bindungsbruch und Distickstoff-Eliminierung faszinierende Nitridoeisen(V)-Spezies zu präparieren. Diese Komplexe des hochvalenten Eisens besaßen eine Koordinationssphäre mit vierzähliger Symmetrie und sind daher inhärent instabil, extrem kurzlebig und daher nicht-isolierbar. Dennoch gelang es dem SFB unter Verwendung der ultraschnellen zeitaufgelösten Schwingungsspektroskopie, die molekulare und elektronische Struktur dieser Spezies aufzuklären und deren chemische Reaktivität erstmalig und in situ im Detail zu studieren. Diese Forschung ist außerordentlich bedeutsam für ein Verständnis der Rolle von hochvalentem Eisen in der Natur, wie beispielsweise bei enzymatischen Oxidationsprozessen. Schließlich gelang es dem SFB im Bereich der Materialwissenschaften neuartige Festkörpersysteme herzustellen, die auf rein anorganischen π-Systemen beruhen, die ihrerseits aus Tellur- und Bismuthhaltigen Hauptgruppensalzen aufgebaut sind. Je nach Zusammensetzung und Temperatur zeigen diese Verbindungen elektrische Leitfähigkeiten, die denen eines Halbleiters, eines eindimensionalen Metalls, oder gar eines Supraleiters gleichen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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