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Kreditvergabe im 19. Jahrhundert: zwischen privaten Netzwerken und institutionalisierter Geldleihe

Fachliche Zuordnung Wirtschafts- und Sozialgeschichte
Förderung Förderung von 2008 bis 2011
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 59676386
 
Erstellungsjahr 2013

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das vorrangige Ziel des Projektes war die Erforschung des ländlich-kleinstädtischen Kreditmarkts im 19. Jahrhundert. Dazu wurden alle notariell beglaubigten Schuldverschreibungen der Kreisstadt Merzig in eine Datenbank aufgenommen. Um einen asymmetrischen Vergleich zu Geschäftspraktiken und dem Einfluss von Sozialstruktur und Rechtsordnung anstellen zu können, wurden die beiden nahe gelegenen Orte Sierck-les-Bains (Frankreich) und Remich (Luxemburg) mit einer hinreichend großen Stichprobe mit einbezogen. Die Obligationen umfassten Angaben zu Gläubiger und Schuldner, deren Berufe und Wohnorte, eventuell Angehörige, die Schuldsumme mitsamt Kreditlaufzeit, Zins, Sicherheiten und Zeugen. Die Aufbereitung dieser Daten ermöglicht einen detaillierten Blick in die sozioökonomischen Verhältnisse dieser Region und lassen Rückschlüsse über die Wohlstandsentwicklung und die engen Wechselwirkungen zwischen Kreditvergabe und Industrialisierung zu. Von ihr gingen wichtige Vorwärts- und Rückwärtskopplungseffekte aus, die sich direkt auf den Kreditbedarf auswirkten. Die beiden Teilprojekte untersuchten zum einen den Kreditmarkt allgemein und zum anderen die Rolle der Juden im Speziellen. Die zentralen Ergebnisse des ersten Teilprojekts betreffen die Funktionsweise, das Zustandekommen und die Vernetzung von Kreditverträgen. Im Zentrum stehen die örtlichen Notabeln, die als Intermediäre zentrale Positionen im Kreditmarkt einnahmen. Besonders die Notare taten sich in der Vermittlung von Geldgeschäften hervor und füllten damit eine wichtige Funktion neben der Herstellung von Vertrauen durch die Beurkundung aus. Geld floss allgemein von der Stadt auf das Land. Durch die Industrialisierung gewannen die stark wachsenden Orte entlang der Saar für den Kreditmarkt an Bedeutung, erleichterte doch einerseits die Eisenbahn das Zustandekommen von Kontakten und andererseits stieg der Kreditbedarf gerade dort stark an. Das Projekt ermöglichte durch den Aufbau der Kreditdatenbank die Analyse des jüdischen Kreditgebarens, was im Vergleich mit der bisherigen Forschung absolutes Neuland darstellte. Die Fragestellung wurde in diesem Zusammenhang allerdings weiter gefasst und unter dem Aspekt der Herausforderungen der Moderne gesehen. Im Zentrum stand die Frage, wie es einer jüdischen Gemeinde in einem ländlich-kleinstädtischen Umfeld gelungen ist – und die gut erforschte Situation der städtischen Juden bildete eine wichtige Vergleichsfolie – mit dem durch die Industrialisierung induzierten Veränderungs- und Anpassungsdruck umzugehen. Ein wichtiges Ergebnis der Studie war, dass es den Juden innerhalb einer bis zwei Generationen gelungen ist, von einer relativ armen zu einer relativ wohlhabenden Bevölkerungsgruppe aufzusteigen und somit in einer vermeintlichen „Verliererregion“ attraktive Rahmenbedingungen vorzufinden. Wichtige Strategie bei diesem Aufstiegsprozess war das Weiterentwickeln vorhandener Kompetenzen und Ressourcen. Anstatt also neue Tätigkeiten an neuen Orten aufzunehmen, nahmen sie Innovationen auf und passten diese an die gegebenen Umstände an. Als Beispiele wurden in der Arbeit die Einführung des Kaufhauses in Merzig angeführt, ebenso die Nutzung verwandtschaftlicher Netzwerke, die Nutzung von Eisenbahn und Werbung und schließlich auch die eigentümliche Vergabepraxis bei Krediten, die sich von der der christlichen Konkurrenz unterschied.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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