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Fragile Fürstenherrschaft im spätmittelalterlichen Europa

Fachliche Zuordnung Mittelalterliche Geschichte
Förderung Förderung seit 2024
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 555919625
 
Der Band enthält Texte, die aus den Vorträgen und Diskussionen einer im Herbst 2022 durchgeführten Tagung hervorgegangen sind. Thema ist die Fragilität in politischen Ordnungen und Herrschaftsformationen des europäischen Spätmittelalters. Bislang galt hier als Bewertungsparameter die Frage nach gelingender oder gescheiterter Staatlichkeit (failed states), differenziert in Zuschreibungen von vermeintlicher Stabilität und Dauerhaftigkeit sowie Entwicklung moderner Staatlichkeit im Rahmen einer europazentrischen Fortschrittsgeschichte. Häufig stand die Fragestellung nach durchsetzungsstarken Personen in Machtpositionen im Vordergrund. In den letzten Jahren hat der wissenschaftliche Diskurs sich von der analytischen Fremdzuschreibung eines angeblichen Scheiterns zur zeitgenössischen Selbstwahrnehmung einer fragilen Ordnung (fragile states; fragility studies) verändert. Fragilität von Herrschaft steht demnach nicht notwendig für ein Scheitern. Sie wird vielmehr als Ausdruck von Flexibilität verstanden, die sich in einer pragmatischen Reaktion auf äußere Herausforderungen ebenso wie in einer situativen Aushandlung zwischen divergenten Interessenkonstellationen zeigen kann. Persönliche Schwäche einer Herrscherpersönlichkeit durch Krankheit oder Jugend musste nicht zur Schwächung der Ordnung führen, sondern konnte divergierenden Interessengruppen Raum für Aushandlungsprozesse geben, die final die politische Ordnung stärkten. Fallstudien zeigen, dass vermeintlich durchsetzungsstarke Herrscher ihr Reich durch mangelnde Flexibilität schwächten, während Herrschaftsordnungen, die durch ein Ringen ständischer Kräfte geprägt waren, zur Bestandssicherung und Dauerhaftigkeit tendieren konnten. Der Ansatz der Tagung hat durch die weltpolitischen Ereignisse der letzten Jahre, namentlich den russischen Überfall auf die Ukraine, brisante Aktualität erhalten. Auch vor diesem Hintergrund, vor allem aber forschungsprogrammatisch ist das gewählte Konzept nur in einem umfassenden Vergleich zwischen Herrschaftsordnungen in Europa zu realisieren und dabei der häufig vernachlässigte Bezug zwischen West- und Ostmitteleuropa/Zentraleuropa zu beachten. Der Band setzt diesen Anspruch um, indem er ausgewiesene Referentinnen und Referenten zu Böhmen und Litauen, Nord- wie Süditalien, Schweden, Norwegen und dem Ostseeraum, dem sog. Deutschordensstaat Preußen, zu Frankreich, den Niederlanden und Luxemburg sowie dem römisch-deutschen Reich zu Wort kommen lässt. Ein exemplarischer Vergleich zur außereuropäischen Geschichte führt über die Expansion der iberischen Reiche zu den Kanarischen Inseln und dem Übergang in die Frühe Neuzeit. Der Band legt erstmals eine systematisch vergleichende Analyse zur Fragilität politischer Ordnungen im mittelalterlichen Europa vor und kann insofern Handbuchcharakter für das behandelte Themenfeld beanspruchen.
DFG-Verfahren Publikationsbeihilfen
Beteiligte Person Dr. Klara Hübner
 
 

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