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Die Lebensbedingungen im frühen Mittelalter – am Beispiel von Altheim-Essenbach in Südbayern
Antragstellerin
Dr. Maren Velte
Fachliche Zuordnung
Ur- und Frühgeschichte (weltweit)
Förderung
Förderung seit 2024
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 555150076
Die Lebensbedingungen der Menschen in Europa während des frühen Mittelalters sind ein Thema über das nach wie vor kontrovers diskutiert wird. Sowohl Klima- als auch Geschichtswissenschaftler beschreiben häufig ein Katastrophenszenario, im dem die Verschlechterung der klimatischen Bedingungen ab der Mitte des 6. Jahrhunderts (Late Antique Litte Ice Age") für Versorgungsengpässe, Hungersnöte sowie den Ausbruch der Justinianischen Pest verantwortlich gemacht wird, was zu einer großen sozialen Krise führte. Im Gegensatz dazu zeichnet die archäologische Forschung, die von Innovationen in der Landwirtschaft ("Agrarrevolution") und einem Bevölkerungswachstum im ausgeht, ein weniger negatives, wenn nicht sogar positives Bild der Situation. Die Ergebnisse bisheriger Untersuchungen von menschlichen Überresten frühmittelalterlicher Gräberfelder, in denen traditionell verschiedene stress-induzierte oder pathologische Veränderungen herangezogen werden, um die Lebensbedingungen früherer Bevölkerungen zu untersuchen, lassen Interpretationen in beide Richtungen zu. Diese Diskrepanz entsteht vor allem dadurch, dass nur einzelne "Stressmarker" herausgegriffen wurden, wodurch die Komplexität der menschlichen Gesundheit nicht ausreichend berücksichtigt wird. Außerdem hat die Bioarchäologie in den vergangenen Jahren zunehmend erkannt, dass die Interpretation der Häufigkeiten von Stressmarkern und Pathologien innerhalb eines Skelettkollektivs in Bezug auf die allgemeine Gesundheit der Bevölkerung aufgrund des osteologischen Paradoxon hoch komplex ist. Diese inhärenten Einschränkungen lassen sich nur durch den Einbezug zusätzlicher Informationen, wie z.B. demografische Verteilung, Ausmaß der Migration, Ernährungsgewohnheiten und genetische Veranlagungen, beheben. An diesem Punkt setzt das geplante Forschungsvorhaben an: Durch den Einbezug möglichst vieler Informationen sollen die Lebensbedingungen und die damit eng verbundene Ernährung der Menschen im Frühmittelalter in der Region des heutigen südlichen Bayerns, insbesondere im Zusammenhang mit den Auswirkungen der angenommenen Klimaveränderungen, beleuchtet werden. Zu diesem Zweck soll eine multivariable Analyse verschiedener dentaler und osteologischer Merkmale, Isotopendaten aus Knochen und Zähnen und genetischen Daten von 100 Skeletten des Reihengräberfeldes Altheim-Essenbach durchgeführt werden. Die ausgewählten Bestattungen datieren zwischen dem 5. und dem 7. Jahrhundert, was eine gezielte Untersuchung der postulierten Krise ermöglicht. Das Ziel des Forschungsprojektes ist es, folgende Fragen zu beantworten: Hatten die angenommenen Klimaveränderungen signifikante Auswirkungen auf die von der Landwirtschaft abhängige Bevölkerung? Haben diese Veränderungen zu Versorgungsengpässen, begünstigten Infektionskrankheiten und folglich zu einer Verschlechterung der Gesundheit der Menschen geführt? Haben die Menschen ihren Lebensstil an die neuen Umstände angepasst?
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen