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Denken der Befreiung. Konzeptualisierung individueller und kollektiver Subversion und Transgression im Ausgang von Kants kritischer Philosophie
Antragstellerin
Dr. Larissa Wallner
Fachliche Zuordnung
Geschichte der Philosophie
Förderung
Förderung seit 2024
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 551074479
Das Projekt untersucht, wie Befreiung im Ausgang von Kant zu denken ist. Befreiungsgeschehen gehören zwar zu den zentralen Interessen nicht nur westlicher Zivilisationen, aber wir haben Schwierigkeiten die Möglichkeit von Befreiung und ihre Erscheinungsformen jenseits partikularer Szenarien philosophisch zu begreifen. Dabei stellt Befreiung widerspruchsfrei und selbstreflexiv denken zu können, eine Bedingung für die Verwirklichung nötiger Transformationen als Antwort auf die Krisen der Gegenwart dar. Klärungsbedürftig sind insbesondere das Subjekt der Befreiung und seine deliberativen Fähigkeiten, ihr Ort und ihre Zeit sowie die Differenz zwischen Befreiung und Entwicklung, aber auch das Wesen der Herrschaft und das normative Fundament von Befreiung. Die zentrale These des Projekts lautet, dass Befreiung nicht einheitlich ist, weil es unterschiedliche Formen der Knechtschaft sind, die je überwunden werden. So verwirklicht sich die Befreiung von Kollektivsubjekten unter anderen Parametern als jene von Individuen und die Befreiung lebendiger Individuen vollzieht sich auf andere Weise, als wenn von einem Erkenntnissubjekt a priori ausgegangen wird. Dennoch sind alle Gegenstandsbereiche und Praktiken von Befreiung verbunden, weil sich Befreiung philosophisch als noetische Transgression und Subversion denken lässt, die spezifische Fähigkeiten voraussetzt: Sie liegt in der Einnahme einer im Vergleich zum vorherigen Zustand veränderten kognitiven und affektiven Haltung, die sich in alternativen Überzeugungen und Praktiken ausdrückt und entweder als aktives oder passives Unterlaufen zu verstehen ist (Subversion) oder als produktives Überwinden einer herrschenden Ordnung hin zu einem neuen Standpunkt (Transgression). Das Forschungsprojekt nimmt seinen systematischen Ausgangspunkt in Kants kritischer Philosophie, insbesondere in seinem Aufklärungs- und Freiheitsverständnis. Es entwickelt das Denken der Befreiung in fünf Themenkomplexen. Erstens arbeitet es Kants explizite Positionen zur Befreiung heraus und schöpft die Potenziale kantischer Transzendentalphilosophie aus, die bisher wenig Beachtung fanden: Einerseits Kants Position zur Rezeptivität, andererseits seine Konzeption sozio-historischer, regulativer Vernunftideen. Dann werden zweitens Positionen aufgenommen, die Kant in notwendigen Punkten erweitern, ihm aber treu bleiben. Drittens gilt es Ansätze aufzugreifen, die Kants Denken der Befreiung zurecht hinsichtlich der Abhängigkeit von Subjekten von ihrem sozialen und historischen Entstehungshintergrund kritisieren. Die Analyse verläuft damit vom deliberativen Potenzial des abstrakten Erkenntnissubjekts zu den Bedingungen der Befreiung situierter, sozial geprägter Individuen und Kollektivsubjekte der Gegenwart. Sie widmet sich schließlich viertens und fünftens zwei exemplarischen Gegenstandsbereichen, in denen Befreiung stattfindet: der Ästhetik als Bereich individueller Selbstüberwindung und dem Recht als Schauplatz kollektiver Emanzipation.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen