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Volkskundliches Wissen und Wissenstransfer: Volkskundliche Milieus, Formate und Schauplätze in der Türkei, (1950s - 1980s)
Antragstellerin
Professorin Hande A. Birkalan-Gedik, Ph.D.
Fachliche Zuordnung
Ethnologie und Europäische Ethnologie
Förderung
Förderung seit 2024
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 550261321
Das vorgeschlagene Projekt konzentriert sich auf die 1950er bis 1980er Jahre und untersucht das volkskundliches Wissen in der Türkei, das in verschiedenen Milieus, Formaten und Schauplätzen, vor allem außerhalb der Academia, entstanden ist und vom Staat geschaffen und gefördert wurde. Das Projekt beginnt mit den Veränderungen, die seit 1948 stattfanden, als die einzige Abteilung der türkischen Volksliteratur und Volkskunde an der Universität Ankara aufgrund politischer Anschuldigungen des Kommunismus geschlossen wurde. Diese Jahrzehnte markieren eine transformative Ära in den Folklore Studies in der Türkei, als Volkskunde zwar in einigen anderen Disziplinen unterrichtet wurde, aber kein eigenständiges Fach darstellte. Diese Periode ist auch global bedeutsam: Während Volkskunde-Folklore Studies im Nachkriegseuropa transnationale Ausrichtungen annahmen, behielten sie in der Türkei einen nationalen Fokus bei. Trotz oder vielleicht gerade wegen der Abschaffung wissenschaftlicher Volkskunde in dieser Ära entstand volkskundliches Wissen in anderen Kontexten: z.B. sammelten und archivierten staatlich finanzierte Organisationen volkskundliche Materialien; Zeitschriften publizierten neue Genres und stellten den volkskundlichen Kanon in Frage; nationale Institute organisierten internationale Kongresse, um ein breiteres Publikum zu erreichen. So verwischten sie die Grenze zwischen 'wissenschaftlichen' und 'nicht-wissenschaftlichen' Feldern, boten neue Stile der Volkskundeforschung und komplizierten die Begrifflichkeiten der Volkskunde. Das Ziel des Projekts besteht darin diese Dynamiken in drei exemplarischen Fallstudien zu verfolgen, um zu zeigen, wie komplexe Formen der Institutionalisierung Literaturwissenschaftler/innen, Laienvolkskundler/innen, sowie Staatakteur/innen miteinander verbanden und die Bedeutungen, Stile und Funktionen volkskundlichen Wissens neu definierten. Statt sich auf einzelne Gelehrte oder ein kanonisches Werk zu konzentrieren, fokussiert sich das Projekt auf die volkskundlichen Aktivitäten innerhalb einer Generation von Gelehrten und Netzwerken, in denen mit staatlicher Unterstützung eine neue Art volkskundlichen Wissens entstand, welches sich dann auf andere Akteure ausdehnte, die dieses Wissen verhandelten. Durch die Untersuchung historischer Dokumente mit Quellenanalyse, kritischer Diskursanalyse, Inhaltsanalyse und Perspektiven der Begriffsgeschichte, ergänzt durch Oral History Interviews, erforscht das Projekt wie volkskundliches Wissen in der Türkei zwischen den 1950er und 1980er Jahren produziert und transferiert wurde; wie spezifische Milieus, Formate und Veranstaltungsorte dieses Wissen unterstützten, und wie es historisch und politisch eingebettet wurde. Das Projekt stellt damit Narrativen der europäischen Ethnologie in Frage, die die Türkei geografisch und epistemologisch marginalisierten, und bietet neue Einblicke, die die türkische und transnationale Geschichte der Volkskunde verändern werden.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen