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Dynamiken der Nachbarschaft in der antiken Großstadt Milet
Antragsteller
Professor Dr. Christof Berns
Fachliche Zuordnung
Klassische, Provinzialrömische, Christliche und Islamische Archäologie
Förderung
Förderung seit 2025
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 548612471
Mit dem Vorhaben wird ein Stadtviertel der antiken Megapolis Milet im Sinne eines Fallbeispiels mit archäologischen Methoden erforscht. Das übergreifende Ziel ist es, die mittlere urbane Ebene der Nachbarschaft (Geitonia), die bislang zugunsten des Oikos (Haus) und der Polis (Gesamtstadt) wenig beachtet worden ist, in ihrer Bedeutung für Genese und Struktur des städtischen Gemeinwesens zu verstehen. Wir gehen dabei von der Hypothese aus, dass die kleinräumigen Bereiche abseits des politischen Zentrums der Stadt einen wichtigen Ausschnitt urbaner Realitäten abbilden. Sie prägen unmittelbar die soziale Situation der Stadtbewohner:innen; die nachbarschaftlichen Praktiken haben aber auch Auswirkungen auf das Gemeinwesen insgesamt. Das Untersuchungsareal umfasst sechs insulae (Straßengevierte) in Milet, einer über viele historische Phasen von Antike und Nachantike (13. Jh. v. Chr. bis 15. Jh. n. Chr.) hinweg bestehenden Großstadt. Voruntersuchungen lassen erkennen, dass dieses Viertel charakterisiert ist durch ein Nebeneinander von Häusern unterschiedlicher Größe, Tabernen und einer großen Thermenanlage. Es liegt an einer der Hauptachsen Milets und wird seinerseits durch Straßen und Gassen unterschiedlicher Größe erschlossen. Dieses vielfältige Viertel eignet sich daher besonders gut als Untersuchungsgegenstand, um die räumlichen Beziehungen und Praktiken der Bewohner:innen in ihrem möglichen langfristigen Wandel nachzuvollziehen. In einer Kombination aus Luftbildauswertung, der Analyse geophysikalischer Messbilder und davon ausgehenden gezielten Grabungen wollen wir die bauliche Struktur des Viertels erforschen. Dabei stehen insbesondere die Kontaktzonen im Mittelpunkt des Interesses, also Tabernen, Vestibüle und ganz allgemein geteilte Räume (shared spaces). Es geht also weniger um die einzelnen Gebäude selbst, als um ihr Verhältnis zueinander und um die die Zwischenräume, in denen die Begegnungen der Bewohner:innen stattfanden. Dabei spielt immer auch das Wechselverhältnis von Nachbarschaft und Gemeinwesen eine Rolle, also z. B. die Frage, inwieweit die Anlage der großen Therme die Struktur des gesamten Viertels langfristig verändert hat. Insgesamt erwarten wir damit, eine neue, nicht mehr primär auf Monumente sondern auf die Beziehungen der Stadtbewohner:innen ausgerichtete Perspektive auf die antike Stadt entwickeln zu können.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen
Internationaler Bezug
Frankreich
Partnerorganisation
Agence Nationale de la Recherche / The French National Research Agency
Kooperationspartner
Professor Dr. Julien Zurbach