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Sozioökonomische Positionierung und Klassenbildung im Kontext von transnationaler Flucht am Beispiel somalischer Geflüchteter in Kenia und Deutschland
Antragstellerin
Dr. Tabea Scharrer
Fachliche Zuordnung
Ethnologie und Europäische Ethnologie
Förderung
Förderung seit 2024
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 546928908
Das beantragte Forschungsprojekt untersucht den Zusammenhang zwischen Flucht und Klasse. Am Beispiel somalischer Migrant*innen in Kenia und Deutschland wird erforscht, wie sich sozioökonomische Positionierung (auf individueller Ebene) und Klassenbildung (auf gesellschaftlicher Ebene) im transnationalen Kontext von Zwangsmigration und Asylregimen entwickeln. Im öffentlichen Diskurs, aber auch in der wissenschaftlichen Forschung, werden Geflüchtete häufig als homogene Gruppen dargestellt. Diese Homogenisierung resultiert aus der Behandlung ihrer nationalen Herkunft als primäre Analyseeinheit, hinter der andere gesellschaftlich relevante Aspekte, wie z. B. Klasse, verborgen bleiben (Favell 2015, 270). Im Gegensatz dazu wird dieses Projekt die Heterogenität der Klassenpositionen von somalischen Geflüchteten sowie die Faktoren, die ihre sozioökonomische Situation beeinflussen, herausarbeiten. Auf konzeptioneller Ebene wird dazu ein analytischer Rahmen entwickelt, der auf Marx, Weber und Bourdieu aufbaut (Wright 2015), aber über den europäischen Kontext hinaus anwendbar ist. Methodisch beruht diese sozialanthropologische Forschung auf multi-sited research, wobei Kenia als Forschungsort ein 'nahes' Zufluchtsland darstellt und Deutschland ein weiter entferntes. Durch dieses Design werden auch Geflüchtete, die nicht über die Mittel verfügen nach Europa zu migrieren, in die Forschung einbezogen. Zudem geht diese Forschung dadurch über den bi-nationalen Rahmen hinaus, auf den sich die Transnationalitätsforschung häufig beschränkt. Durch das Nachvollziehen von Migrationswegen wird das Projekt herausarbeiten, welche Faktoren im Migrationsprozess für soziale Mobilität oder Immobilität und folglich für die sozioökonomische Positionierung und Klassenbildung entscheidend sind. Dieses Projekt leistet somit in zweierlei Hinsicht einen wichtigen Beitrag zur sozialwissenschaftlichen Theoriebildung: Erstens kann durch den Fokus auf Migration und den transnationalen Raum (Levitt und Glick Schiller 2004) die nationale Beschränkung der meisten Forschungen zu sozioökonomischer Klasse (Weiss 2005, Beck 2007) überwunden werden. Damit kann der Einfluss von Grenzübertritten, Migrationsregimen und ‚legal capital‘ auf die sozioökonomischen Positionen von Migrant*innen aufgezeigt werden, sowie auf ihre Strategien der Positionierung und Grenzziehung bezüglich der Orte, an denen sie sich niederlassen oder zu denen sie Zugehörigkeit beanspruchen. Das Projekt wirft somit auch die Frage auf, wie Fluchtmigration die Klassenstruktur der Herkunftsgesellschaft beeinflusst. Zweitens kann die beantragte Forschung Konzepte der Migrationstheorie weiter entwickeln, indem sie zu Debatten über die Besonderheiten von Fluchtmigration sowie den Einfluss von Klasse auf Migrationsverläufe und gelebten Transnationalismus im Kontext von Asylregimen beiträgt (Portes, Guarnizo & Landolt 1999, Çaglar & Glick Schiller 2018).
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen