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Blinde und sehgeschwächte Menschen in der DDR – Soziale Lagen, Alltag und Selbstadvokation

Fachliche Zuordnung Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung Förderung seit 2024
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 545935542
 
Das Projekt untersucht die Geschichte der mehrere Zehntausende Betroffene umfassenden Gruppe blinder und sehgeschwächter Menschen in der DDR aus der Perspektive der disability history. Analysiert werden, erstens, die von Staat und Partei formulierten ideologischen und rechtlichen gruppenspezifischen Diskurse bzw. Regelungen. Zweitens wird danach gefragt, wie die so gesetzten Rahmenbedingungen die sozialen Lagen und Alltagswelten blinder und sehgeschwächter Menschen prägten und wie letztere sich im Zeitverlauf wandelten. Drittens geht das Projekt der Frage nach, über welche Handlungsspielräume die Betroffenen unter den Bedingungen der Diktatur verfügten, um ihre Lebensbedingungen eigen-sinnig zu gestalten und inwieweit der für die Betroffenen zuständige Verband in gewissen Grenzen tatsächlich als Interessenvertretung blinder und sehgeschwächter Menschen charakterisiert werden kann. Somit leistet das Projekt einen Beitrag zur bisher noch weitgehend unerforschten Zeitgeschichte behinderter Menschen in staatssozialistischen Diktaturen. Es gilt zu fragen, inwieweit in sozialistischen Staaten, in denen Arbeit, die Befähigung zur Arbeit und das Ziel einer hohen Arbeitsproduktivität eine wesentliche Rolle spielten, Menschen mit (Seh-)Behinderungen spezifische rehabilitationspolitische oder allgemeiner: gesellschaftspolitische Aufmerksamkeit zukam. Außerdem wird analysiert, inwiefern der propagierte sozialistische Humanismus (ebenso wie die deutsch-deutsche Systemkonkurrenz) in der DDR Fürsorge- und Integrationsansprüche der Betroffenen generierte und staatliches Handeln ihnen gegenüber beeinflusste. Dementsprechend wird untersucht, inwiefern dies zu spezifischen sozialen Lagen und auch Alltagserfahrungen blinder und sehgeschwächter Menschen führte, die sich zumindest teilweise von jenen ‚westlicher‘ Gesellschaften unterschieden. Des Weiteren wird erforscht, inwieweit die unter den Bedingungen der SED-Herrschaft spezifischen und begrenzten Mittel und Wege der Selbstadvokation eigen-sinnig von den Betroffenen genutzt werden konnten. Den anfangs genannten drei Fragestellungen wird paradigmatisch anhand des Beispiels der sehgeschwächten und blinden Menschen in der DDR nachgegangen, um zu eruieren, ob die in der Forschung oft betonte relative Privilegierung von blinden und sehgeschwächten Personen im Vergleich zu anderen Gruppen von Menschen mit Behinderungen auch in der DDR existierte. Somit soll das Projekt nicht nur die Forschung zur Zeitgeschichte von Menschen mit Behinderungen in sozialistischen Staaten, sondern auch die Forschung zur Binnendifferenzierung innerhalb der Gruppe behinderter Menschen bereichern.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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