Detailseite
Optimalität des vestibulo-okulären Reflexes
Antragsteller
Professor Dr.-Ing. Stefan Glasauer; Professor Dr. Erich Schneider
Fachliche Zuordnung
Kognitive, systemische und Verhaltensneurobiologie
Biologie des Verhaltens und der Sinne
Medizinische Physik, Biomedizinische Technik
Biologie des Verhaltens und der Sinne
Medizinische Physik, Biomedizinische Technik
Förderung
Förderung seit 2024
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 545300591
Kontinuierliche und genaue visuelle Wahrnehmung während Eigenbewegungen erfordert die Minimierung der Bilddrift auf der Netzhaut durch Blickstabilisierung. Dies wird durch kompensatorische Augen- und/oder Kopfbewegungen erreicht, die durch die konzertierte Aktion multisensorischer Signale und intrinsischer motorischer Efferenzkopien erzeugt werden. Blickstabilisierung ist ein allgegenwärtiges und gut entwickeltes motorisches Verhalten, das evolutionär hochkonserviert ist und bei allen Wirbeltieren vorkommt. Der vestibulo-okuläre Reflex (VOR) besteht aus Augenbewegungen, die über eine neuronale Verschaltung mit kurzer Latenz ausgelöst werden. Für eine perfekte Blickstabilisierung sollte die kompensierende Augenbewegung in Amplitude und Dynamik die Kopfrotation perfekt aufheben. Bei vielen Wirbeltierarten, aber auch beim Menschen im Alter oder nach einer Entzündung des Gleichgewichtsnerven, ist die Augenbewegung jedoch deutlich geringer als zur perfekten Stabilisierung erforderlich. Der Grund für diese scheinbare Suboptimalität ist jedoch unklar. Wir vermuten, dass Sensorik, Motorik, oder neuronale Schaltkreise, die für die Blickstabilisierung verantwortlich sind, eine Leistungsgrenze erreicht haben, die sich als Ungenauigkeit in der Ausführung der Augenbewegungen manifestiert. Durch diese signalabhängigen Ungenauigkeiten oder Rauschen kann eine kleinere kompensatorische Augenbewegung günstiger für die Blickstabilisierung sein. Wir wollen diese Hypothese durch eine Kombination von theoretischen und experimentellen Methoden an Amphibien und gesunden Menschen testen. Die von uns benutzten Amphibien stellen ein perfektes Modellsystem dar, um offene Fragen in der sensorisch-motorischen Kontrolle zu untersuchen, da das Tiermodell relativ einfach ist und ein großes Wissen über die VOR-Verschaltung bei diesen Tieren vorhanden ist. Ausgehend von der Annahme, dass es sich bei dem VOR um eine optimierte sensomotorische Reaktion handelt, leiten wir aus der optimalen Steuerungstheorie als normatives Modell Bedingungen ab, unter denen eine scheinbar suboptimale Blickstabilisierung die beste Wahl für eine optimale Reduktion der retinalen Bilddrift, oder alternativ der optimalen retinalen Bildfixierung ist. Wir testen diese Vorhersagen im Anschluss experimentell an Menschen, indem wir die Stärke des VOR mit der Variabilität der Augenbewegung vergleichen, sowie an Amphibien, indem wir das Signalrauschen in den verschiedenen neuronalen Elementen der senso-motorischen Verarbeitung manipulieren. Der Vergleich experimenteller Daten mit Vorhersagen der optimalen Steuerung und einem neuronalen Netzwerkmodell der VOR-Verschaltung hilft bei der Beantwortung der Frage, warum die Augenbewegung kleiner ist als für eine perfekte Blickstabilisierung erforderlich. Unser Projekt wird daher helfen, zu verstehen, warum auch beim Menschen solche scheinbar suboptimalen Augenbewegungen auftreten können.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen
Internationaler Bezug
Frankreich
Partnerorganisation
Agence Nationale de la Recherche / The French National Research Agency
Kooperationspartner
Dr. Francois Lambert