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Kritische Handlungsfähigkeit – eine ethnographisch informierte politische Epistemologie der Kritik
Antragstellerin
Dr. Deborah Muehlebach
Fachliche Zuordnung
Theoretische Philosophie
Praktische Philosophie
Praktische Philosophie
Förderung
Förderung seit 2024
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 543375836
Die Welt ist voller Kritik – die einen kritisieren Europas Anti-Migrationspolitik, andere kritisieren Sea-Watch für die Rettung von Migrant:innen auf See, Feminist:innen kritisieren Femizide als strukturelles Problem des Patriarchats und "anti-woke"-Bewegungen kritisieren wokeness. Doch nicht immer kommt Kritik als solche an. Manche Kritiker:innen werden systematisch ignoriert, manche reden aneinander vorbei und manchmal haben Menschen nur begrenzten Zugang zu den Ressourcen, die für die Entwicklung einer kritischen Haltung erforderlich sind. In solchen Fällen ist kritische Handlungsfähigkeit, d.h. die Fähigkeit Kritik zu formulieren und vorzubringen, die auch tatsächlich als Kritik aufgenommen wird, begrenzt. Dieses Projekt untersucht das Wesen kritischer Handlungsfähigkeit: Worin besteht sie und welche Umstände fördern oder hemmen sie? CRITICAL AGENCY argumentiert, dass der Schlüssel zu kritischer Handlungsfähigkeit die Fähigkeit ist, eine Vielzahl von interagierenden Elementen auf Seiten der Kritiker:innen, der Adressat:innen und der Bystander zu verstehen. Zu diesen Elementen gehören der Gegenstand und der Gehalt der Kritik, die sozialen Positionen der in einem kritischen Setting beteiligten Personen und die Art und Weise, wie diese Positionen zueinander in Beziehung stehen. Aufbauend auf dieser Grundaussage zielt das Projekt darauf ab, eine politische Epistemologie kritischer Handlungsfähigkeit zu entwickeln. Es untersucht systematisch die Interaktion zwischen sozio-politischen und epistemologischen Aspekten kritischer Handlungsfähigkeit, indem es Bereiche der theoretischen und praktischen Philosophie miteinander ins Gespräch bringt, die bisher nicht so stark miteinander im Austausch stehen. Die Auseinandersetzung mit der sozialen Komplexität kritischer Settings erfordert eine genaue Beobachtung der sozialen Kategorien und der Machtdynamik, die in solchen Kontexten eine Rolle spielen, und somit ein nicht-ideales Theoretisieren mit einer ethnografischen Sensibilität. Dieses besteht darin, dichte Beschreibungen von Kontexten zu entwickeln, in denen sich die Dynamik kritischen Handelns manifestiert, und daraus begriffliche und normative Fragen und Hypothesen zu generieren. In der momentanen Zeit, in der wir gemeinsam eine Klimakatastrophe, mehrere Kriege und tiefe politische Meinungsverschiedenheiten bewältigen müssen, ist Kritik überall und Verständnis nirgends. Zumindest scheint dies auf den ersten Blick so. Eine sorgfältige philosophische Analyse von Kritik und Verständnis hilft uns besser zu erkennen, worin unsere kritischen Praktiken bestehen, was wir zu tun beabsichtigen, tatsächlich tun und tun sollten, wenn wir versuchen, einander zu kritisieren. Die ethnografisch informierte politische Epistemologie von CRITICAL AGENCY beabsichtigt, diese aktuellen begrifflichen und normativen Fragen zu beantworten.
DFG-Verfahren
Emmy Noether-Nachwuchsgruppen