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Salicornia (Chenopodiaceae): Abstammung, Phyologenie und Differenzierung in Sympatrie

Fachliche Zuordnung Evolution und Systematik der Pflanzen und Pilze
Förderung Förderung von 2003 bis 2009
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5417479
 
Erstellungsjahr 2009

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die Hauptziele des Projektes waren, 1. die Phylogenie, Systematik, Biogeographie und Diversifizierung der gesamten Salicornioideae und insbesondere der artenreichen Gattungen Salicornia und Sarcocornia anhand von molekularen Phylogenien zu untersuchen und 2. mit AFLP-fingerprints sowie Kultur- und Transplantationsexperimenten die genetische und morphologische Identität, ökologische Differenzierung und reproduktive Isolation von vier an der Nordseeküste sympatrisch vorkommenden Salicornia-Arten zu untersuchen. Neben diesen zwei Hauptzielen kamen im Zuge des Projektes weitere Teilprojekte hinzu, z.B. die detaillierten molekularen und morphologisch-taxonomischen Analysen der südafrikanischen Sarcocornia- und Salicornia-Arten sowie die Untersuchungen zur Biogeographie von Microcnemum und Halocnemum. Die Salicornioideae sind weltweit verbreitet, enthalten c. 90 Arten und 11 Gattungen und sind typischerweise stammsukkulente, blattlose Kräuter oder Sträucher. Mit der nächstverwandten Unterfamilie den Suaedoideae, von der sie sich zu Beginn des Oligozäns trennten, haben sie die hygrohalophytische Ökologie gemeinsam. Das Ursprungsgebiet der Salicornioideae lag vermutlich nordöstlich der Tethys und von hier aus fanden immer wieder in der Geschichte der Unterfamilie interkontinentale Ausbreitungsereignisse in unterschiedlichen Gattungen und zu unterschiedlichen Zeiten statt. Nordamerika (und von dort aus Südamerika) wurde von insgesamt sechs eurasiatischen Linien der Salicornioideae erreicht, Südafrika von drei unabhängigen Linien und Australien von einer. Australien ist in jüngerer Vergangenheit dann ein zweites Mal von Südafrika aus erreicht worden. Gattungen mit wechselständiger Verzweigung und kleinen stilrunden Blättern stehen basal. Die bei weitem erfolgreichste Linie gemessen an Ausbreitung und Artenzahl wird durch eine Kombination von dekussierter Verzweigung, segmentierten, sukkulenten, blattlosen Sprossachsen und verwachsenen Brakteen markiert. Sie ist weltweit verbreitet und umfasst die artenreichen Gattungen Salicornia und Sarcocornia sowie Arthrocnemum, Microcnemum und alle australischen Salicornieae (insgesamt c. 72 spp.). Trotz des relativ hohen Alters, der weltweiten Verbreitung und der Überlegenheit in hygrohalophytischen Habitaten haben die Salicornioideae nur insgesamt c. 90 Arten hervorgebracht. Dies könnte daran liegen, dass 1. die Nischenarmut extremer, hygrohalophytischer Standorte größere Radiationen verhinderte und dass 2. zahlreiche Arten der frostempfindlichen, hoch-spezialisierten und standortgebundenen Salicornioideae während des Pleistozäns ausgestorben sind. Die Salicornioideae sind durch starke Reduktion von Blättern und Blüten merkmalsarm. Die molekularen Analysen haben jedoch eine erstaunlich große genetische Diversifizierung in der Unterfamilie aufgedeckt, ohne dass diese genetischen Unterschiede in gleichem Maße morphologisch ausgeprägt sind. Weiterhin wurden durch die molekularen Analysen zahlreiche morphologische Parallelismen gefunden, die möglicherweise in Anpassung an ähnliche Standortsbedingungen entstanden sind. Ein Beispiel hierfür liefert die Gattung Sarcocornia, in der eine kriechende, rasenartige Wuchsform mit sprossbürtigen Wurzeln fünfmal parallel entstanden ist. Die Sarcocornia-Arten mit dieser Wuchsform sind sich so ähnlich, dass sie zuvor fast alle als S. perennis zusammengefasst wurden. Sie besiedeln weltweit Salzwiesen in der Gezeitenzone, wo sie regelmäßiger Überflutung ausgesetzt sind. Salicornia ist die erfolgreichste Gattung der Unterfamilie und konnte durch die Evolution einer einjährigen Lebensweise auch Küsten temperater und borealer Klimate besiedeln. Taxonomisch stellte Salicornia schon immer eine große Herausforderung dar. Wir konnten nun zeigen warum: Das Muster, das wir mit unserer molekularen Analyse finden, deutet daraufhin, dass in Salicornia eine Vielzahl sich schnell ausbreitender, persistierender Inzuchtslinien vorliegen. In Gebieten mit langer Besiedlungsgeschichte entsteht somit ein Nebeneinander aus verschiedenen, unabhängig voneinander eingewanderten Salicornia- Inzuchtlinien, die sich immer wieder an ähnliche Standortsbedingungen anpassen. Es kommt daher zu morphologischen Parallelismen, so dass verständlicherweise unterschiedlichen Genotypen einer Region häufig der gleiche Name gegeben wurde. Umgekehrt wurden identischen, weit verbreiteten Genotypen in unterschiedlichen Regionen häufig verschiedene Namen gegeben, weil 1. keine weltweite Bearbeitung der Gattung existierte und 2. weil verschiedene Populationen eines Genotyps häufig ebenfalls morphologische Unterschiede aufweisen. Weitergehende, detaillierte fingerprint-Analysen sowie Kultur- und Transplantationsexperimente in einem Gebiet mit vier sympatrisch-wachsenden Salicornia-„Arten“ zeigen, dass es sich bei den tetraploiden „Arten“, S. procumbens und S. stricta, vermutlich um Ökotypen handelt, die wiederholt in Anpassung an das Überflutungsregime in der untersten Salzwiese entstanden sind. Da sich Salicornia schnell entlang der Küsten ausbreitet und neu entstandene Linien sofort durch nahezu vollständiges Selbsten reproduktiv isoliert sind, erhalten wir weder ein taxonomisches noch ein klares geographisches Signal in der AFLP-Analyse. Die Ergebnisse der beiden diploiden „Arten“ legen nahe, dass deren eher kryptische, morphologische Differenzierung das Ergebnis phänotypischer Plastizität und nicht genetisch fixiert ist

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Evolution of flora and vegetation in saline habitats of South Africa. The International Mediterranean Ecosystems Conference, Perth, Australia, 2-5. Sept. 2007
    Mucina, L., Kadereit, G., Steffen, S., & van Niekerk, A.
  • Radiations, extinctions, and evolutionary dead ends in the Amaranthaceae/Chenopodiaceae alliance. International Botanical Congress, 18.-23.7.2005 in Wien
    Kadereit, G.
  • Reproductive isolation between sympatric species of the northern European Salicornia (Chenopodiaceae) species complex. International Botanical Congress,18.-23.7.2005 in Wien
    Teege, P. & Kadereit, G.
  • South African Salicornioideae (Chenopodiaceae, Angiospermae): biogeography, phylogeny, and systematics. Fifth Conference of the Southern African Society for Systematic Biology (SASSB); Western Cape Province, 2-4 Feb. 2005
    Kadereit, G. & Mucina, L.
  • (2006) Phylogeny of Salicornioideae (Chenopodiaceae): diversification, biogeography, and evolutionary trends in leaf and flower morphology. Taxon 55(3): 617-642
    Kadereit, G., Mucina, L. & Freitag, H.
  • Diversification and systematics of Salicornia L. (Chenopodiaceae). 17th International Symposium on "Biodiversity and Evolutionary Biology" 24 – 28.09.2006 in Bonn
    Kadereit, G., P. Ball, S. Beer, H. Freitag, L. Mucina, D. Sokoloff, P. Teege & A. E. Yaprak
  • Phylogeny and ecological diversification of South African Sarcocornia (Chenopodiaceae). 17th International Symposium on "Biodiversity and Evolutionary Biology" 24 – 28.09.2006 in Bonn
    Steffen, S., L. Mucina & G. Kadereit
  • (2007) A taxonomic nightmare comes true: phylogeny and biogeography of glassworts (Salicornia L., Chenopodiaceae). Taxon 56: 1143-1170
    Kadereit, G., P. Ball, S. Beer, H. Freitag, L. Mucina, D. Sokoloff, P. Teege & A. E. Yaprak
  • Origin and diversity of Salicornia L. and Sarcocornia A.J Scott (Chenopodiaceae) in Turkey. Int. Symposium 7th Plant Life of south West Asia, 25-29.06.2007, Eskisehir, Turkey
    Yaprak, A.E. & Kadereit, G.
  • Phylogeny and ecological diversification of South African Sarcocornia (Chenopodiaceae). SAAB conference 2007; S. Afr. J. Bot. 2007, 73: 337
    Steffen, S., L. Mucina & G. Kadereit
  • Salicornia and Sarcocornia in North America: problems of incongruity between molecular phylogeny and morphology (P59007). ASPT meeting 7-11.07. 2007, Chicago, USA
    Ball, P. & Kadereit, G.
  • (2008) A new species of Halocnemum M. Bieb (Amaranthaceae) from southern Turkey. Bot. J. Linn. Soc. 158: 716-721
    Yaprak, A. E. & Kadereit, G.
  • (2008) Microcnemum coralloides (Salicornioideae, Chenopodiaceae): an example of intraspecific East-West disjunction in the Mediterranean region. Anales del Jardin Botanico de Madrid 65(2): 415-426
    Kadereit, G. & Yaprak A. E.
  • Multiple origin and wide dispersal of northwest European Salicornia "species". Systematics 2008 – 07.-11.04.2008 in Göttingen
    Teege, P., Köhl, A. & Kadereit, G.
 
 

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