Pathogenese des Johanson-Blizzard-Syndroms unter besonderer Berücksichtigung der Pankreasfunktionsstörung
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Johanson-Blizzard-Syndrom (JBS) ist eine seltene, genetisch bedingte Erkrankung. Es ist durch eine schon im frühesten Kindesalter manifeste, schwere Störung der exokrinen Pankreasfunktion (Ausfall der Produktion von Verdauungsenzymen durch die Bauchspeicheldrüse) gekennzeichnet in Kombination mit verschiedenen angeborenen Fehlbildungen und Entwicklungsstörungen (Nasenflügelhypoplasie, fehlende Zahnanlagen, Skalpdefekte, Schwerhörigkeit, Hypothyreose u.a.). Das JBS ist, wie wir im ersten Förderabschnitt dieses Vorhabens zeigen konnten, durch Mutationen in dem Gen UBR1 bedingt. Damit ist der Defekt dieses Gens ein Modell für einen biologischen Mechanismus, der entscheidend für die Funktion des exokrinen Pankreas ist. Das Genprodukt von UBR1 ist die gleichnamige Ubiquitin-Ligase aus dem N-end-rule-Pathway. In diesem Vorhaben ging es darum, die Variabilität der Krankheitsausprägung des JBS und deren Zusammenhang mit den zugrundeliegenden Mutationen zu ermitteln, die mögliche Bedeutung von UBR1 für isolierte Erkrankungen des Pankreas (Pankreatitis und Pankreasinsuffizienz) zu erforschen, und die Mechanismen, mit denen der UBR1-Defekt zu diesen Symptomen führt besser zu verstehen, um diese fehlgesteuerten Mechanismen ggf. auch therapeutisch anzugehen. Wir konnten eine weltweit einzigartige Kohorte von über 50 Familien mit JBS im Rahmen dieses Projekts untersuchen. Dabei fanden wir durch Sequenzierung, ergänzt um eine selbst entwickelte Methode zum Deletionsscreening im UBR1-Gen, über 60 unterschiedliche Mutationen. Wir konnten einen Zusammenhang herstellen zwischen bestimmten, (MIssense)-Mutationen und einer abgeschwächten Krankheitsausprägung. Insbesondere im Hinblick auf die geistigen Fähigkeiten der Betroffenen zeigte sich eine große Variabilität. Dies weist auf wichtige Funktionen von UBR1 im Gehirn hin, die noch weiter untersucht werden müssen. Für einige wenige Missense-Mutationen konnte exemplarisch gezeigt werden, dass diese tatsächlich noch eine Restfunktion besitzen. Diese Beobachtungen sind wichtig für das Verständnis des Krankheitsbildes sowie für die Beratung von betroffenen Familien. Eine Bedeutung genetischer Veränderungen des UBR1-Gens für häufigere isolierte Pankreaserkrankungen konnten wir aber nicht nachweisen. In einem molekularbiologisch-tierexperimentellen Teil des Projekts konnten wir wichtige pathophysiologische Zusammenhänge der durch den UBR1-Mangel bedingten Pankreasschädigung klären. Unsere noch nicht ganz abgeschlossenen Untersuchungen legen nahe, dass RGS4, ein Regulator für intrazelluläre Signalvorgänge, ein wesentlicher Vermittler für die Pankreasschädigung ist. Die Ergebnisse sprechen dafür, dass der Überschuss an RGS4 (durch fehlenden UBR1-vermittelten Abbau) das Calcium-Signal in exokrinen Pankreaszellen (Azinuszellen) verändert und so zu einer Störung der Sekretion von Verdauungsenzymen und verstärkter, für die Zelle schädlicher Aktivierung von Proteasen (Eiwieß-spaltenden Enzymen) schon innerhalb der Azinuszelle führt. Diese Schädigung bewirkt wahrscheinlich den frühen Untergang der Azinuszellen. Die Identifikation von RGS4 als wesentlich an der Entwicklung des Pankreasschadens beteiligtes Molekül, liefert eine Rationale für den Einsatz von medikamentösen RGS-Inhibitoren als Therapieansatz bei Pankreaserkrankungen wie der Pankreatitis. Wir fanden auch Hinweise für die Existenz mindestens eines weiteren Gens für einen sehr kleinen Teil von Fällen mit JBS (5%). Dessen Identifikation gelang aber in dieser Förderperiode noch nicht und ist Gegenstand weiterer Forschungen. Jenseits der ursprünglichen Planung eröffnete das Projekt aufgrund der Beschäftigung mit genetischen Krankheitsbildern, die nur in Teilen mit dem JBS überlappen, den Zugang zu einer bislang noch wenig erforschten Krankheitsgruppe mit angeborenen Skalpdefekten als Leitsymptom (Adams-Oliver-Syndrom, AOS, und ähnliche Erkrankungen). Wir konnten insbesondere zur Identifikation von 2 neuen Genen für das AOS wesentlich beitragen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- Development of a protein-based assay to detect subclinical Johanson-Blizzard-Syndrome in patients with unexplained exocrine insufficiency. Pancreas 2009;38(8):1027
Mayerle J, Karanam NK, Bauhuber S, Weiss FU, Steils L, Völker U, Zenker M, Lerch MM
- Clinical utility gene card for: Johanson-Blizzard syndrome. Eur J Hum Genet. 2014 Jan;22(1)
Sukalo M, Mayerle J, Zenker M
- Ubiquitin ligases of the N-end rule pathway: assessment of mutations in UBR1 that cause the Johanson-Blizzard syndrome. PLoS One. 2011;6(9):e24925
Hwang CS, Sukalo M, Batygin O, Addor MC, Brunner H, Aytes AP, Mayerle J, Song HK, Varshavsky A, Zenker M
- A syndromic condition with scalp defects, developmental delay and dysmorphic features links to chromosome 20. Eur J Hum Genet 2012; 20 Suppl. 1:96
Sukalo M, Al-Gazali L, Rusu C, Ekici AB, Zenker M
- Recurrent Johanson-Blizzard syndrome in a triplet pregnancy complicated by urethral obstruction sequence: a clinical, molecular, and immunohistochemical approach. Pediatr Dev Pathol. 2012 Jan-Feb;15(1):50-7
Schoner K, Fritz B, Huelskamp G, Louwen F, Zenker M, Moll R, Rehder H
(Siehe online unter https://doi.org/10.2350/11-04-1020-OA.1) - Autosomal Recessive Adams-Oliver Syndrome (AOS2): Novel DOCK6 Mutations and Delineation of the Phenotype. medizinische genetik (medgen) 2013; 25(1):139
Sukalo M, Tilsen F, Müller D, Kayserili H, Tüysüz B, Zenker M
- Identification of genetic loci associated with Helicobacter pylori serologic status. JAMA. 2013 May 8;309(18):1912-20
Mayerle J, den Hoed CM, Schurmann C, Stolk L, Homuth G, Peters MJ, Capelle LG, Zimmermann K, Rivadeneira F, Gruska S, Völzke H, de Vries AC, Völker U, Teumer A, van Meurs JB, Steinmetz I, Nauck M, Ernst F, Weiss FU, Hofman A, Zenker M, Kroemer HK, Prokisch H, Uitterlinden AG, Lerch MM, Kuipers EJ
(Siehe online unter https://doi.org/10.1001/jama.2013.4350) - Fucosyltransferase 2 (FUT2) non-secretor status and blood group B are associated with elevated serum lipase activity in asymptomatic subjects, and an increased risk for chronic pancreatitis: a genetic association study. Gut. 2014 Jul 15
Weiss FU, Schurmann C, Guenther A, Ernst F, Teumer A, Mayerle J, Simon P, Völzke H, Radke D, Greinacher A, Kuehn JP, Zenker M, Völker U, Homuth G, Lerch MM
(Siehe online unter https://doi.org/10.1136/gutjnl-2014-306930) - Mutations in the Human UBR1 Gene and the Associated Phenotypic Spectrum. Hum Mutat. 2014 May;35(5):521-31
Sukalo M, Fiedler A, Guzmán C, Spranger S, Addor MC, McHeik JN, Benavent MO, Cobben JM, Gillis LA, Shealy AG, Deshpande C, Bozorgmehr B, Everman DB, Stattin EL, Liebelt J, Keller KM, Bertola DR, van Karnebeek CD, Bergmann C, Liu Z, Düker G, Rezaei N, Alkuraya FS, Oğur G, Alrajoudi A, Venegas-Vega CA, Verbeek NE, Richmond EJ, Kirbiyik O, Ranganath P, Singh A, Godbole K, Ali FA, Alves C, Mayerle J, Lerch MM, Witt H, Zenker M
(Siehe online unter https://doi.org/10.1002/humu.22538) - UBR1 deletions in Johanson-Blizzard syndrome. medizinische genetik (medgen) 2014;26(1);154
Sukalo M, Schanze I, Everman D, Deshpande C, Rezaei N, Lorda Sanchez I, Zenker M