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Deutungsmuster sozialer Wirklichkeit in der Frühen Neuzeit: Die Politica Christiana (16./17. Jahrhundert)

Fachliche Zuordnung Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung Förderung von 1997 bis 2002
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5375879
 
Das politische Denken im Europa des 16. und 17. Jahrhunderts (Frühe Neuzeit) ist ein vielfältig erforschtes Feld. Die spezifisch deutsche Tradition der Ideengeschichte hat für diese Problemstellungen beachtliches, wenn auch methodisch enggeführtes geleistet. Trotz dieser Forschungsintensität aber ist die Existenz einer vornehmlich im konfessionell gespaltenen Alten Reich wirkungsmächtigen, eigenständigen Linie in der Bestimmung des Politischen kaum wahrgenommen worden, die aus der konfessionell übergreifenden Kritik am sogenannten "Machiavellismus der Höfe" in der Mitte des 16. Jahrhunderts entstand und von den Zeitgenossen als "politica christiana", als "Christliche Staatslehre" bezeichnet wurde. Anders als in den zeitgenössisch dominierenden Traditionen vollzog sich in der politica christiana nicht die von Carl Schmitt als Grundform aller politischen begriffsbildung bezeichnete Säkularisierung des Religiösen, sondern gerade im Gegenteil die intensivierte Orientierung der politischen Herrschaftsübung an den Transzendenzvorstellungen des Christentums, auf die die jeweilige Obrigkeit verpflichtet werden sollte. Die Erforschung der normativen Grundzüge, der Trägergruppen und der praktischen Wirkung jener Christlichen Staatslehre ist bis heute nicht erfolgt, obgleich sie in zahlreichen Schriften der Gebrauchsliteratur des 16./17. Jahrhunderts und in zahllosen Konflikten zwischen Geistlichkeit, Gemeinde und weltlicher Obrigkeit sehr wohl wirksam war. Es handelt sich dabei um ein Deutungsschema sozialer Wirklichkeit, das in ausdrücklicher Anknüpfung an die als tragfähig bezeichnete Tradition in Gestalt der wiederbelebten mittelalterlichen Dreiständelehre ganz andere Realitätsbezüge symbolisiert zu haben scheint als die "dominanten" Lehren von der Politik. Insofern begegnet in der politica christiana als einer sehr realen wirksamen politischen Lehre ein Deutungsmuster frühneuzeitlicher Realität, das als zeitgenössischer Versuch der wertbezogenen Bewältigung des als krisenhaft empfundenen späten 16. und des 17. Jahrhunderts charakterisiert werden kann.
DFG-Verfahren Schwerpunktprogramme
 
 

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