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Bāḥra ḥassāb: Wissensüberlieferung in Äthiopien und Eritrea von der Antike bis zur Neuzeit
Antragstellerin
Dr. Daria Elagina
Fachliche Zuordnung
Afrika-, Amerika- und Ozeanienbezogene Wissenschaften
Alte Geschichte
Mittelalterliche Geschichte
Wissenschaftsgeschichte
Alte Geschichte
Mittelalterliche Geschichte
Wissenschaftsgeschichte
Förderung
Förderung seit 2024
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 536604808
Das Hochland von Eritrea und Nordäthiopien, die Heimat einer schriftlichen Zivilisation aus dem 1. Jahrtausend v. Chr., stellt einen besonderen Fall eines Kulturraums mit einer langen und ununterbrochenen Manuskripttradition dar. Neben anderem literarischem Erbe hat die Manuskriptkultur Äthiopiens und Eritreas über viele Jahrhunderte hinweg ein Korpus von Texten und grafischen Elementen (Tabellen und Diagramme) überliefert, das in der äthiopischen Kultur traditionell als bāḥra ḥassāb bezeichnet wird. Das Korpus vermittelt traditionelles Wissen in Bezug auf Kalender, Chronologie, Astronomie, Kosmologie, Astrologie, Meteorologie, Wahrsagerei und viele weitere Aspekte. Viele Elemente dieses Korpus verdanken sich Einflüssen von außen (z. B. hellenistischen, arabischen oder europäischen). Durch die Integration in die äthiopische Manuskriptkultur boten diese ursprünglich fremden Elemente die Grundlage für einzigartige interkulturelle Ideen und prägten die lokale epistemische Tradition, die bis heute überlebt hat. Das Korpus von bāḥra ḥassāb ist ein bedeutendes Element der Kultur Äthiopiens und Eritreas, eine wichtige Quelle für den Vergleich mit anderen Manuskriptkulturen und ein besonderes Beispiel einer nicht-westlichen epistemischen Tradition. Trotz einiger wichtiger und tiefgreifender Beiträge mangelt es der aktuellen Forschung jedoch an einem umfassenden Verständnis des Umfangs, des Ursprungs und der Elemente dieses Korpus. Beschreibungen der relevanten Manuskripte sind oft oberflächlich und eine philologische und manuskriptologische Analyse der Elemente von bāḥra ḥassāb ist immer noch ein wissenschaftliches Desiderat. Das vorgeschlagene Projekt zielt darauf ab, das Korpus von bāḥra ḥassāb auf der Grundlage von Primärquellen (Manuskripten) unter Anwendung nachhaltiger digitaler Werkzeuge zu untersuchen. Das Hauptziel des Projekts besteht darin, ein systematisches und umfassendes Verständnis von bāḥra ḥassāb, seinem Repertoire, seinen Themen, seinem Ursprung und seiner historischen Entwicklung als Weltkulturphänomen zu erlangen sowie Werkzeuge und Methoden für seine Untersuchung zu entwickeln. Das Projekt wird nicht nur für das Gebiet der Äthiopistik von Bedeutung sein, sondern auch dazu beitragen, dass bāḥra ḥassāb in die interdisziplinäre und interkulturelle Forschung zu Computus, Wahrsagerei, historischer Epistemologie und ähnlichen Themen einbezogen werden kann, von der es bisher fast völlig unberücksichtigt blieb. Darüber hinaus wird das Projekt auch zur Weiterentwicklung der neu etablierten „Wissensgeschichte“ beitragen, indem es eine detaillierte Analyse der Wissenstradition einer nicht-westlichen Kultur bietet.
DFG-Verfahren
Emmy Noether-Nachwuchsgruppen