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Der Jainismus in Karnataka (Südindien), Entwicklung und Wandel von Architektur, Geschichte und Religion, insbesondere nach dem Machtverlust im frühen 12. Jahrhundert

Fachliche Zuordnung Kunstgeschichte
Förderung Förderung von 2002 bis 2015
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5358863
 
Erstellungsjahr 2014

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Durch die Kombination der verschiedene Blickwinkel und Resultate aus den drei verbundenen Disziplinen (Geschichte, Religionswissenschaft und Kunst-/Baugeschichte) bietet sich uns am Ende des Projektes ein sehr viel klareres und umfassenderes Verständnis dieser wichtigen Phase in der Geschichte Südindiens. Wir haben nachgewiesen, daß die Anhänger der Jaina Religionsgemeinschaft in Karnataka ab der Mitte des 12. Jh. n. Chr. stark an Einfluss verloren. Gründe für diesen Machtverlust sind in einer Reihe von neuen Glaubensrichtungen, wie den Kāḷāmukhas und den Vīra-Śaivas/Liṅgāyat zu finden. Diese breiteten sich rapide in der Region aus. Zur gleichen Zeit drangen Religionsgruppen von außen nach Karnataka ein, unter ihnen besonders Śrī-Vaiṣṇavas und Muslime. Inschriften berichten von Verfolgungen der Jainas, obwohl es häufiger zu Konvertierungen gekommen zu sein scheint. Die Marginalisierung der Jainas zeigt sich besonders in der Zerstörung von religiösen Statuen und heiligen Orten, von denen viele auch heute noch verlassen und in Trümmern liegen, und in der Übernahme und Umwidmung von Tempelbauten, deren ursprüngliche Jaina Ausrichtung weiterhin in ihrem Layout, dem Bauschmuck und der Ikonographie ersichtlich ist. Neben diesen externen Einflüssen, die zur Machtverringerung beitrugen, spielten auch interne Veränderungen und Spannungen innerhalb der Digambara Jainas eine Rolle. Während der Blütezeit des Jainismus in der Region, ab etwa dem 7. Jahrhundert und bis ins 12. Jahrhundert hinein, ist das Tempelritual und das jinistische Pantheon stetig ausgebaut und erweitert worden. Dies führte besonders unter den Hoysaḷas ab dem 11. Jh. zur prunkvollen Ausschmückung der Tempelbauten. Der Reichtum der Jainas führte zum Sesshaftwerden vieler Mönche und Nonnen in Klöstern, die Landbesitz und Reichtümer anzogen und deren Vorstände zu Verwaltern und Großgrundbesitzern wurden, was ihnen den Vorwurf einer Abwendung von religiösen Werten eintrug. Rivalitäten zwischen verschiedenen Klostersitzen führte zur Aufspaltung der Digambaras in unabhängige Untergruppen und schwächte die Einheit der Jainas in Südindien. Die Einführung eines Jaina Kastensystems zeigte eine weitere Abwendung von den ursprünglichen Werten und wurde nicht von allen Jainas gut geheißen. In diesem Zusammenhang wurden die Ideale der Vīra-Śaivas mit ihrem reduzierten Tempelritual, der Besinnung auf das liṅga als alleiniges Verehrungsobjekt und das Propagieren der Gleichheit aller ohne Kasten, für enttäuschte Jainas mitunter sehr attraktiv. Der Übertritt eines Herrschers zog den Glaubenswechsel seiner Untertanen nach sich und die Herrscher entzogen Jaina Institutionen und Bauprojekten die finanzielle Unterstützung. Basierend auf ihrer herausragenden Rolle als religiöse, soziale und politische Zentren und wegen ihres hohen Symbolcharakters, waren Tempel und Klosteranlagen mit ihren religiösen Statuen häufig die ersten Zielobjekte, die zerstört oder eingenommen wurden. Anschauliche Zeugnisse hierfür sind Statuen oder Bauten, die einem ‚Re-Use’ unterlagen, also annektiert, umgewidmet und angepasst wurden. In diesen Veränderungen kommen ganz besonders die Unterschiede in Ritual, Nutzung und Bedeutung von Skulptur und Architektur in den verschiedenen Religionen zum Ausdruck. Unabhängig von diesen konkreten Beispielen zeigt das Konzept des Re-Use, daß lineare Phasen in der Entwicklung von Kunst und Kultur oft nur Teile von viel größeren kreisenden Bewegungen sind, die immer wieder neue Aspekte und Materialien absorbieren und integrieren aber auch die regelmäßige Rückkehr zu alten Konzepten beinhalten, eine Belebung und Stärkung hervorrufen und zu neuen künstlerischen Formen führen. Dies zeigt, daß die oft einfache Gliederung von kunsthistorischen und historischen Ereignissen in Frühzeiten, Blütezeiten und Phasen des Verfalls, die am Anfang unseres Projektes eine besondere Rolle spielten, historisch interessant ist, jedoch im Bezug auf Kunststile zu einer recht willkürlichen Auf- oder Abwertung führt, die wenig hilfreich ist. Die Klassifizierung einer Phase als ein ‚goldenes Zeitalter’ ist subjektiv und häufig politisch motiviert. Es ist ein Label, welches rückwirkend einer Phase zugesprochen wird, um einen Zweck zu erfüllen - wenn auch nur das Bedürfnis der Menschen zu befriedigen, an bessere Zeiten in einer fernen Vergangenheit zu glauben. Die Theorie des Re-Use lehrt uns jedoch, daß kunsthistorische Entwicklungen Rückbesinnung beinhalten und oft kreisförmig verlaufen. Die Jainas in Karnataka verloren ihre elitäre Vormachstellung, starben aber nie ganz aus und spielen auch heute noch eine wichtige Rolle in Kunst und Religion in Karnataka.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • 2006, “Architectural, Sculptural and Religious Change: A New Interpretation of the Jaina Temples at Khajuraho.” In: P. Flügel (ed.), Studies in Jaina History and Culture: Disputes and Dialogues. Routledge Advances in Jaina Studies, vol. 1, Routledge, London and New York, pp. 401-418
    Julia A. B. Hegewald
  • 2007, “Domes, Tombs and Minarets: Islamic Influences on Jaina Architecture.” In: Adam Hardy (ed.), The Temple in South Asia. Volume 2 of the proceedings of the 18th conference of the European Association of South Asian Archaeologists, London 2005. British Association for South Asian Studies and the British Academy, London, pp. 179-190
    Julia A. B. Hegewald
  • 2007, “Jaina Temples in the Deccan: Characteristics, Chronology and Continuity.” Journal of Deccan Studies. Special issue on Jainism (guest editor: Prof. Aloka Parasher-Sen), vol. V, no. 1, January-June 2007, pp. 1-24 plus plates
    Julia A. B. Hegewald
  • 2008, “Jagannatha Compared: The politics of appropriation, re-use and regional state traditions in India.” with Subrata K. Mitra, Heidelberg Papers in South Asian and Comparative Politics (HPSACP), no. 36, pp. 1-37
    Julia A. B. Hegewald
    (Siehe online unter https://doi.org/10.11588/heidok.00008015)
  • 2009, Jaina Temple Architecture in India: The Development of a Distinct Language in Space and Ritual. Monographien zur indischen Archäologie, Kunst und Philologie, Band 19, Herausgeber Stiftung Ernst Waldschmidt, G+H-Verlag, Berlin
    Julia A. B. Hegewald
  • 2009, “Sacred Place and Structured Space: Temple architecture and pilgrimage in Jainism.” In: Phyllis Granoff (ed.), Victorious Ones: Jain Images of Perfection. The Rubin Museum of Art, New York, pp. 90-110
    Julia A. B. Hegewald
  • 2010, “Visual and Conceptual Links between Jaina Cosmological, Mythological and Ritual Instruments.” International Journal of Jaina Studies (IJJS) (Online). Vol. 6, no. 1, pp. 1-20. - Gedruckte Version: IJJS. Vols. 4-6, 2008-2010, pp. 209-227
    Julia A. B. Hegewald
  • 2012, Re-use: The Art and Politics of Integration and Anxiety. Sage Publishers, New Delhi
    Julia A. B. Hegewald (zusammen mit Subrata K. Mitra)
  • 2012, “Jain Bastis.” In: George Michell (ed.), Kanara - A Land Apart: The Artistic Heritage of Coastal Karnataka. Mārg. Mārg Publications, Mumbai, pp. 30-43
    Julia A. B. Hegewald
  • 2012, “Jaina Havelī Temples in Northern India: Sources, Developments and Ritual Use.” In: Jayandra Soni (ed.), Jaina Studies: Proceedings of the DOT 2010 Panel in Marburg, Germany. Aditya Prakashan, New Delhi, pp. 131-165
    Julia A. B. Hegewald
  • 2013, “Images of the Cosmos: Sacred and Ritual Space in Jaina Temple Architecture in India.” In: Deena Ragavan (ed.), Heavn on Earth: Temples, Ritual, and Cosmic Symbolism in the Ancient World. Oriental Institute Seminars, No. 9, The Oriental Institute of the University of Chicago, Chicago, pp. 55-88
    Julia A. B. Hegewald
  • 2014, In the Shadow of the Golden Age: Art and Identity in Asia from Gandhara to the Modern Age. Studies in Asian Art and Culture (SAAC) Vol. 1, EB-Verlag, Berlin
    Julia A. B. Hegewald
  • Jaina Painting and Manuscript Culture: In Memory of Paolo Pianarosa. Studies in Asian Art and Culture (SAAC) Vol. 3, EB-Verlag, Berlin (2015). - 978-3-86893-174-7. - Ca. 400 S.
    Julia A. B. Hegewald
 
 

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