Bestimmung mikrostrukturabhängiger mechanischer Druckeigenschaften spritzgegossener teilkristalliner Thermoplasten
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Ziel des Projektes war, in enger Kooperation zwischen dem Institut für Kunststoffverarbeitung (IKV) und der BAM Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung unter Nutzung der jeweiligen Kompetenzen auf dem Gebiet der Kunststofftechnik, das mechanische Verhalten unterschiedlicher morphologischer Strukturen teilkristalilner Thermoplaste bei Druckbelastung zu untersuchen. Zusätzlich sollte der Einfluss unterschiedlicher Gefügestrukturen auf Zugkennwerte ermittelt und den Druckkennwerten gegenübergestellt werden. Schlussendlich sollte eine Abschätzung des Werkstoffpotenzials erfolgen, wobei bewertet werden sollte, inwiefern die mechanische Auslegung druckbelasteter Bauteile unter Berücksichtigung morphologieabhängiger Druckkennwerte verbessert werden kann. Im Rahmen des Forschungsvorhabens wurde am IKV eine Anlage zur Erzeugung scherinduzierter Gefügestrukturen in teilkristallinen Kunststoffen entwickelt und erfolgreich in Betrieb genommen. Sie wurde für Polypropylen (PP) und Polyoxymethylen (ROM) eingesetzt. Die mechanischen Eigenschaften der erzeugten Probekörper wurden anschließend mittels Zug- und Druckversuchen vermessen und ausgewertet. Die Eigenschaften der gescherten Probekörpern wurden mit spritzgegossenen Proben verglichen, wobei insbesondere zwischen feinem und grobem Gefüge unterschieden wurde. Die Zugprüfungen erfolgten am IKV an Mikrozugstaben, während an der BAM eine Versuchsvorrichtung zur Druckmessung an würfelförmigen Proben zum Einsatz kam. Ergänzt wurde die Bewertung der Materialien durch die kalorimetrische Bestimmung des Kristallisationsgrads und Orientierungsmessungen mittels polarisiertem Licht, die am IKV durchgeführt wurden. Im Ergebnis für die spritzgegossenen Proben zeigt sich die Abhängigkeit der Steifigkeit der Probekörper von dem Gefüge und der Belastungsart (Druck- bzw. Zugversuche). Ferner steigt die Steifigkeit der Zugprüfkörper sowohl bei PP, wie auch POM, mit höherer Einstellung der Prozessparameter (Masse- und Schmelzetemperatur) an. Der Unterschied der richtungsabhängigen Eigenschaften (quer oder längs zur Fließrichtung) ist äußerst gering bzw. nicht vorhanden im Vergleich zum Einfluss des Gefüges. Die Druckversuche zeigen qualitativ den gleichen Einfluss der Prozessparameter auf die inneren Eigenschaften wie die Zugversuche. Die gescherten Proben zeigen einen hohen Einfluss des Kristallisationsgrads auf die Steifigkeit. Besonders bei POM ist die Erhöhung der Steifigkeit mit steigendem Kristallisationsgrad deutlich. Hier steigt der Kristallisationsgrad bis auf 70 %, wobei diese Proben gleichzeitig die höchste Steifigkeit aufweisen. In der Gegenüberstellung der Zug- und Druckversuche wird in den absoluten Werten ein quantitativer Unterschied der Zug- und Druckkennwerten sichtbar. Aufgrund der unterschiedlichen Versuchsdurchführungen (z. B. Prüfkörperabmessungen und Messwege) ist ein direkter Vergleich der Kennwerte zur Abschätzung der Vorteile für eine mechanische Auslegung druckbelasteter Bauteile unter Berücksichtigung morphologieabhängiger Druckkennwerte jedoch nicht zulässig. Die Ergebnisse des Forschungsvorhabens zeigen, dass die mechanischen Eigenschaften in Abhängigkeit der Belastungsart und der morphologischen Struktur erhebliche Unterschiede aufweisen. Deshalb ist es wichtig, beides bei der Bauteilauslegung zu berücksichtigen. Für die Erfassung entsprechender Daten muss ein Standard für die definierte und reproduzierbare Herstellung von Zug- und Druckprüfkörpern mit feinem, grobem und scherinduziertem Gefüge geschaffen werden. Der in diesem Projekt entwickelte Scherstand kann hierbei als ein erster erfolgreicher Schritt in diese Richtung gesehen werden und für zukünftige Untersuchungen hilfreich sein. Zudem muss die Vorhersage der Entstehung-der Morphologie und damit der Ausprägung innerer Eigenschaften weiter vorangetrieben werden, um in die Bauteilauslegung einfließen zu können. Dies geschieht bereits z. B. im Exzellenzcluster „Integrative Produktionstechnik für Hochlohnländer" an der RWTH Aachen mit Beteiligung des IKV. Erst wenn sowohl die definierte Probekörperherstellung gesichert ist, kann die Messung und die Vorhersage innerer Eigenschaften ermöglicht werden und die in diesem Projekt gewonnenen Erkenntnisse zu einer verbesserten Bauteilvorhersage und einer gesteigerten Nutzung des Werkstoffpotenzials beitragen.