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Faktizitätskonstruktion: Unterbestimmtheit als Motor von Fachkommunikation

Fachliche Zuordnung Angewandte Sprachwissenschaften, Computerlinguistik
Förderung Förderung seit 2023
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 516407591
 
Das Forschungsvorhaben strebt die Untersuchung dynamischer Austausch- und Oszillationsprozesse zwischen psychiatrischer und juristischer Fachkommunikation vom 19. bis zum 20. Jahrhundert an, um daraus resultierende Faktizitätskonstruktionen fassbar werden zu lassen. Dabei sollen die in der psychiatrischen Diagnostik als dissoziale Persönlichkeitsstörungen bezeichneten Verhaltensauffälligkeiten als Aushandlungsgegenstände interfachlicher Kommunikation im Mittelpunkt stehen. Diese Persönlichkeitsstörungen gehören seit dem Ende des 18. Jahrhunderts nicht nur zum Grundbestand psychiatrischer Krankheitslehren, sondern werden auch als forensisch relevanter Gegenstand aufgegriffen und finden Eingang in die Rechtsprechung. Lange wurden sie dort als „seelische Abartigkeit“ bezeichnet. Heute spricht § 20 StGB hingegen von „einer schweren anderen seelischen Störung“. Trotz diachroner Variabilität und Umstrittenheit der Beschreibungen dieser Störungen greift das Recht dennoch auf ebendiese Beschreibungen zurück und akzeptiert sie als Faktum. Dies wirft die Frage auf, wie ein wissenschaftlicher Gegenstand angesichts seiner Strittigkeit und schwierigen Bestimmbarkeit konstituiert und wie das mit ihm verbundene Wissen im Zusammenspiel der verschiedenen Fachdisziplinen transformiert wird. Das Forschungsvorhaben wird dahingehend den Wechselwirkungen zwischen den psychiatrischen Konstruktionen des Nicht-Normalen und ihren Bedeutungen für Recht und Rechtsprechung nachgehen. Dabei soll auch der bisher in der Fachsprachenforschung kaum konturierte Aspekt der Unterbestimmtheit als Motor der Fachkommunikation erfasst und reflektiert werden. Einerseits wird damit exemplarisch die sukzessive Entwicklung einer Fachsprache als eigen-ständige Wissens- und Wissenschaftsdisziplin anhand der psychiatrischen Fachkommunikation zu dissozialen Persönlichkeitsstörungen nachvollzogen. Andererseits werden interfachliche Übernahmen sowie Weiterentwicklungs- und Beeinflussungsprozesse anhand des interde-pendenten Austausch- und Kommunikationsverhältnisses zwischen psychiatrischer und juris-tischer Fachkommunikation erfasst.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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