Detailseite
Projekt Druckansicht

Der Helektunismus und die späte inoffizielle Sowjetkultur

Fachliche Zuordnung Allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft; Kulturwissenschaft
Förderung Förderung seit 2023
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 515117225
 
Das Projekt untersucht die Leningrader Gruppe der Chelenukty, eine literarische Vereinigung im Kontext des spätsowjetischen Underground (unter anderem Vladimir Ėrl‘, Aleksej Chvostenko, Aleksandr Mironov). Die Chelenukty waren eine der führenden neo-avantgardistischen Gruppen, die in der inoffiziellen Gesellschaft der späten Sowjetunion von 1965 bis etwa 1970–71 aktiv waren, die bisher allerdings wenig bekannt sind. Das Projekt untersucht den Chelenuktismus im Kontext verschiedener Traditionen, von der Avantgarde bis hin zur absurden Literaturen. Es gilt herauszufinden, wie die Autoren der Gruppe die experimentelle Ästhetik des frühen 20. Jahrhunderts in der Zeit des späten Tauwetters und der frühen Stagnationsperiode weiter entwickelten. Das Projekt beleuchtet sowohl futuristische und OBĖRIU-Quellen der chelenuktischen Ästhetik als auch Verbindungen zu Werken, die im Zirkel A. K. Tolstojs und der Žemčužnikov-Brüder unter dem Namen Koz‘ma Prutkov entstanden; dazu kommen die Werke älterer neo-avantgardistischen Zeitgenossen (der Gruppe Verpa, des Zirkels um die Malaja Sadovaja sowie anderer Autoren in deren Umfeld). Die ästhetischen Grundlagen des Chelenuktismus werden aus der Perspektive der Lebenskunst rekonstruiert. Die Künstler der Gruppe haben ihr künstlerisches Verhalten, das sich in postromantischer Tradition herausgebildet hat, in jener des Symbolismus, der Avantgarde und der Kunst des Happening (Allan Kaprow), zu einem eigenständigen künstlerischen Experiment entwickelt und in „Dramagödien“ verwirklicht, einem experimentellen, von den Chelenukty erfundenen Genre. Die Mitglieder der Gruppe folgten dem Futurismus, um ein absurdes Theater des Alltags zu begründen, während Künstler andernorts die Ästhetik des „Happening“ elaborierten und es schafften, sich selbst und andere Teilnehmer von den restriktiven Rahmenbedingungen des sowjetischen Alltags zu befreien. Das Projekt will herausfinden, wie sich der Chelenuktismus seinen eigenen Weg zur Rekonstruktion der russischen Avantgardetradition bahnt, wobei ich mich darauf fokussiere, inwiefern diese Schriftsteller am internationalen neo-avantgardistischen Kontext ihrer Zeit. In meinem Projekt werde ich methodisch auf die intellectual history der sowjetischen Kultur, auf Rezeptionsästhetik und auf die Forschung zur Lebenskunst zurückgreifen. Das Projekt basiert auf unveröffentlichtem Archivmaterial und unveröffentlichten Interviews mit Protagonisten der Epoche. Im Rahmen dieses Projekts wird der Chelenuktismus zum ersten Mal nicht als eine lokale Leningrader Erfahrung, sondern als ein Element des spätsowjetischen Underground beschrieben und im Kontext zeitgleicher sowjetischer, europäischer und amerikanischer neo-avantgardistischer Trends positioniert werden. Das Projekt wird die künstlerische Erfahrung des Chelenuktismus, die sowohl einzigartig als auch symptomatisch für einen bestimmten kulturellen und historischen Kontext ist, erstmals einer internationalen Öffentlichkeit zugänglich machen.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
Internationaler Bezug Italien, Schweden, USA
Mitverantwortlich(e) Professorin Dr. Schamma Schahadat
 
 

Zusatzinformationen

Textvergrößerung und Kontrastanpassung