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Das Judasfeuer. Geschichte und Gegenwart eines antisemitischen Osterbrauchs im deutschsprachigen Raum
Antragsteller
Dr. Andreas Rentz
Fachliche Zuordnung
Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung
Förderung seit 2022
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 507628385
Das vorliegende Projekt untersucht die Entstehung und Entwicklung des Judasfeuers, eines international verbreiteten Osterbrauchs mit antisemitischem Charakter. Erst 2019 löste das „Judasgericht“ im polnischen Pruchnik einen internationalen Skandal aus, als eine mit stereotypisch „jüdischen“ Merkmalen wie Hakennase und orthodoxe Haartracht gestaltete Judasfigur verbrannt wurde. Ähnliches Brauchtum existiert auch im deutschsprachigen Raum, doch fehlt bislang eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Phänomen. Dieses Desiderats möchte sich das folgende Projekt annehmen.Dabei ergeben sich folgende Leitfragen: Unter welchen Umständen ist das Judasfeuer entstanden und wie hat es sich im weiteren Verlauf entwickelt und ggf. verändert? Welche soziale Funktion hatte es, insbesondere zur Zeit des Nationalsozialismus? Wie und warum entstand das Narrativ eines vermeintlich heidnischen Ursprungs? Und nicht zuletzt: Inwiefern ist es als antisemitisch zu qualifizieren? Ziel des Projekts ist die Erkenntnis der historischen Ursprünge und Entwicklung eines noch gegenwärtig praktizierten Brauchs und die Leistung eines Beitrags zur historischen Antisemitismusforschung auf einem Gebiet, das bislang nie systematisch untersucht wurde.Diese Fragen sind durch einen interdisziplinären methodischen Ansatz zu beantworten, der in der historischen Ritualforschung zu verorten ist. Der Untersuchungsgegenstand ist räumlich auf den deutschsprachigen Raum begrenzt, berücksichtigt aber neben den heutigen Staaten Deutschland und Österreich auch die dem früheren Deutschen Reich zugehörigen Regionen Schlesien, Sudetenland und Elsaß-Lothringen. Zeitlich ist die gesamte Geschichte des Judasfeuers von seinen frühesten Belegen im 17. Jahrhundert bis ins 20. Jahrhundert zu behandeln, wobei aufgrund der deutlich besseren Quellenlage der Fokus auf dem späten 19. und 20. Jahrhundert liegt. Als Quellen fungieren volkskundliche Sammlungen und Befragungen, Zeitungsartikel, aber auch Gerichtsprotokolle, Rechnungsbücher und Edikte. Hierbei kann auf zwei Artikel zur Thematik aufgebaut werden, die der Antragsteller bereits veröffentlicht hat. Dabei sind die empirischen Befunde in den weiteren interpretativen Kontext des christlichen Antijudaismus zu setzen, um ein besseres Verständnis dafür zu gewinnen, wie sich Judenfeindschaft in der ländlichen Bevölkerung artikulierte und tradierte. Angesichts dessen, dass der Brauch auch heute noch praktiziert wird und der Antisemitismus immer weiter zunimmt, ist es von aktueller Relevanz, die historischen Hintergründe des Judasfeuers zu ergründen.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen