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Exzentrik der Mitte. Zur Semantik fremder Räume in deutscher erzählender Literatur und periodischer Presse der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts

Fachliche Zuordnung Germanistische Literatur- und Kulturwissenschaften (Neuere deutsche Literatur)
Förderung Förderung von 2007 bis 2010
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 48739157
 
Das dem >Zentrum für Erzählforschung< an der Bergischen Universität Wuppertal angegliederte Vorhaben zur deutschen Literatur der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verknüpft detaillierte Textlektüren mit semiotischen und kontextorientierten Fragestellungen.(1) TextlektürenDas >Projekt der Mitte<, d.h. das Projekt der Schaffung eines Raums zwischen den Extremen, eines Raums der Familie und der Heimat, des Ausgleichs, der Stabilität und der Mäßigung, mit dem sich die deutsche erzählende Kanonliteratur des Bürgerlichen Realismus intensiv befasst, wird in den Texten dieser Zeit vielfach mit einem >exzentrischen< Diskurs verkoppelt, in dem Migration aus dem heimatlichen Zentrum in topologisch (extreme) Fremde repräsentierende Räume herausführt oder Fremdes aus peripheren Räumen in die Mitte eindringt, Ausgehend von diesem Befund werde ich in meiner Studie eine Reihe ausgewählter Texte unter folgenden Hypothesen behandeln: Erstens konstituiert sich das für die Literatur dieser Zeit herkömmlicherweise postulierte >Mittelmaß< vielfach über Austauschprozesse mit Fremde/m; diese Prozesse, die auf den Nenner >Ausschluss durch Einverleibung< zu bringen sind, bergen Ambivalenzen in sich: Die durch Fremde/s geschaffene Mitte offenbart sich als prekäre, die Territorialisierungsbewegungen sind von Deterritorialisierungen begleitet. Zweitens unterscheiden sich die Transgressionen der Protagonisten von Kanontexten vorangegangener Epochen insofern, als in ungleich stärkerem Maße die Konfrontation der Helden mit der Fremde in deutsche - nationale und vor allem koloniale - Projekte eingebunden wird.(2) Semiotische FragestellungMein Vorhaben greift methodologisch auf Jurij M. Lotmans semiotisches Raumkonzept zurück, erweitert es jedoch auf zweifache Weise: Mit Hilfe der Studien Homi K. Bhabhas versuche ich einerseits, auch die Ambivalenzen innerhalb der erzählten Räume in den Blick zu nehmen; mit Hilfe der Normalismusforschungen Jürgen Links geht es mir andererseits darum, die Flexibilität von Grenzen und damit die >Beweglichkeit< von Räumen zu analysieren. Das Vorhaben versteht sich daher zugleich als theoretischer Beitrag zur Raumsemantik in erzählender Literatur.(3) Kontextspezifische FragestellungEin weiteres Anliegen besteht in der Erforschung von Austauschprozessen zwischen den analysierten Texten und der periodischen Presse, in der sie zumeist erstmals publiziert wurden. Für die Journale gilt, dass sich ein großer Teil der Berichterstattung fremden Räumen widmet. Meinem Vorhaben geht es zum einen literarhistorisch darum, die Vernetzungen zwischen der Kanonliteratur des Bürgerlichen Realismus und ihrem Kontext, d.h. ungefähr zeitgleich entstandenen Berichten, Reportagen und so genannten populärliterarischen Beiträgen, zu analysieren; und zwar insbesondere solchen, die von Fremde handeln. Zum anderen werde ich anhand dieser Untersuchungen die Vernetzung der Kanonliteratur mit nationalen und vor allem kolonialen Diskursen aufzeigen, die im Deutschland der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts besondere Virulenz gewinnen. Ziel des Vorhabens ist, die Texte deutscher Realisten stärker in ihrem kulturgeschichtlichen Kontext zu verorten, Überlappungen und Überschneidungen mit unterhaltenden Beiträgen zu rekonstruieren, aber auch die im einzelnen divergenten Bedeutungspotentiale deutlich zu machen: Einige der kanonisch gewordenen Texte, für die eine >Exzentrik der Mitte< konstitutiv ist, unterscheiden sich von ihrem Kontext insofern, als in ihnen das Prekäre (das Uneindeutige, Widersprüchliche) des Projekts in stärkerem Maße zum Ausdruck kommt.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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