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Geschichte der Nordostpassage
Antragsteller
Professor Dr. Andreas Renner
Fachliche Zuordnung
Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung
Förderung von 2021 bis 2022
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 465660455
Nachdem Christoph Kolumbus den Seeweg nach Indien verfehlt hatte, suchten Kaufleute ihn entlang der Küste Sibiriens: die legendäre, weil nicht zu bewältigende Nordostpassage des 16. Jahrhunderts. Mit dem Klimawandel des 21. Jahrhunderts wird der Traum von einem subpolaren Handelsweg zwischen dem nordatlantischen und dem nordpazifischen Wirtschaftsraum Wirklichkeit. Die Geschichte dieser Seeverbindung ist bislang durch das Prisma von Seefahrer-Biografien oder wissenschaftlichen Expeditionen betrachtet worden. Mit Hilfe der beantragten Sachbeihilfe soll erstmals eine Gesamtgeschichte des Seewegs entstehen. Das Projekt untersucht die Nordostpassage vor dem Hintergrund der durchfahrenen Meere, der passierten Küsten und Archipel, und das heißt vor allem in Bezug zur Geschichte Russlands und der Sowjetunion. Zu dieser Geschichte gehören die Expeditionen aus fünf Jahrhunderten ebenso wie die Unterwerfung der Arktis und ihrer indigenen Bewohner seit dem späten 16. Jahrhundert. Das war das Werk von russländischen Kosaken, Wissenschaftlern und Kaufleuten, sowjetische Ingenieuren, Siedlern und Seestreitkräften. Das Projekt analysiert und gewichtet den Beitrag historischer Akteure vor dem Hintergrund (geo)politischer und ökonomischer und nicht zuletzt umweltgeschichtlicher und ideologischer Kontexte. Es fragt damit sowohl nach der globalen Bedeutung des Seewegs wie nach seinem Stellenwert in der (arktischen) Geschichte Russlands. Zu diesen Aspekten sind ergänzende Aufsätze geplant. Mit dem Fokus auf der „russischen“ Vorgeschichte der Nordostpassage relativiert die Darstellung die „westlichen“ Seefahrer-Legenden um die Passage nach Asien. Transitfahrten zwischen Atlantik und Pazifik machten nie und machen auch heute nicht die Bedeutung der Nordostpassage aus; 2019 waren es nur 37 der 801 Schiffsfahrten. Die globale Funktion der Seeroute erklärt sich eher durch den Export fossiler und anderer sibirischer Rohstoffe nach Asien und Europa.Während die gegenwärtige Wiederentdeckung der Nordostpassage im Westen eher durch das Schmelzen des polaren Eises ausgelöst wurde, ist sie in Russland Teil einer viel älteren arktischen Identität. Die Seestrecke wurde schon seit der späten Zarenzeit als Binnenschifffahrtsroute genutzt. Und bereits seit dem 17. Jahrhundert waren die fünf arktischen Meere zwischen Nordkap und Beringstraße - der Kernabschnitt der Nordostpassage - die Nordgrenze des russischen Wirtschafts- und Herrschaftsraums. Seine Nutzung stellt heute ein rechtshistorisches Argument dar, mit dem die Russische Föderation die Regulierung eines Gutteils des arktischen Schiffsverkehrs beansprucht.Die geplante Monografie will diesen durchaus umstrittenen Anspruch auf der Grundlage von Archiv- und Bibliotheksforschungen erklären, nicht rechtfertigen. Sie fügt damit der aktuellen Diskussion über die Arktis als potenzielles internationales Konfliktfeld eine historische Perspektive hinzu. Deswegen richtet sich das Buch nicht allein an ein wissenschaftliches Publikum.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen