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Reform des Islam in China: Aushandlungsprozesse sIno-muslimischer (Hui) Subjektivitäten, 1900-1960

Fachliche Zuordnung Religionswissenschaft und Judaistik
Asienbezogene Wissenschaften
Förderung Förderung seit 2021
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 461900530
 
Gegenstand des Projektes ist die Herausbildung eines modernen Selbstverständnisses chinesischer Muslime im zwanzigsten Jahrhundert im Spannungsfeld zwischen islamsicher Identität und Zugehörigkeit zur chinesischen Nation. Diese Spannung hat zwar erst in den letzten Jahren im Zusammenhang mit staatlichen Maßnahmen zur „Sinifikation“ des Islams international Beachtung gefunden, sie besteht jedoch seit der ausgehenden Qing Dynastie und wurde intensiviert durch die Bildung des chinesischen Nationalstaates der Republik. In der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts war die Frage, ob und wie die islamische Tradition und Modernisierung vereinbar seien, Gegenstand von Diskussionen, die sich in zahlreichen sino-muslimischen Printmedien widerspiegeln. Die Rekonstruktion und Analyse dieser Diskurse, deren Themen und Argumentationsmuster teilweise bis heute wirksam sind, stehen im Zentrum des Projektes.Die Diskussionen um eine Reform des chinesischen Islam sind nur ein Aspekt eines umfassenderen Diskurses über die Herausbildung einer modernen sino-muslimischen Subjektivität. Subjektivität dient uns als analytischer Schlüsselbegriff mit dem wir subjektive Deutungs- und Handlungsräume, Habitus, Wertungen, Selbstbilder und Empfindungen bezeichnen, die in Diskursen artikuliert und formiert werden. Sino-muslimische Subjektivitäten bildeten sich im zwanzigsten Jahrhundert in einem diskursiven Rahmen, der durch lokale Traditionen, Modernisierung, nationale Politik und transnationale islamische Netzwerke geprägt war. Die in diesem Spannungsfeld entstehenden Dynamiken und ihren Niederschlag in der Herausbildung moderner muslimischer Subjektivitäten will das Projekt untersuchen. Der Subjektivitätsbegriff hilft uns, im Gegensatz zu staatszentrierten Forschungsansätzen, chinesische Muslime nicht als passiv politischen Entwicklungen ausgesetzt zu begreifen, sondern als Akteure sichtbar zu machen. In einer Kombination von Diskurs- und Netzwerkanalyse sollen vier Themenfelder behandelt werden: (1) Verschiebungen im Bereich des Islamverständnisses von einer Fundierung in Sufismus und spekulativer Philosophie hin zu rationalem Schrifttum bei gleichzeitiger Tendenz zur Standardisierung muslimischer Praxis; 2) Schaffung eines modernen Habitus und Epistems durch Reformen im Bildungsbereich; 3) Normierung geschlechtsspezifischer Frömmigkeit und Körperlichkeit; 4) Reaktionen auf moderne ökonomische Rationalitäten. Bis heute spielen diese vier Bereiche eine konstitutive Rolle bei der Aushandlung muslimischer Subjektivitäten in China. Eine Analyse der diesbezüglichen Debatten während der chinesischen Republik ist daher nicht nur von historischem Interesse, sondern wird auch unser Verständnis gegenwärtiger chinesischer Muslime, ihrer Haltung gegenüber dem chinesischen Staat sowie ihrer Position innerhalb globaler islamischer Diskurse verbessern.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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