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Komplizität: Einfaltungen und Entfaltungen
Antragstellerin
Professorin Dr. Cornelia Wächter
Fachliche Zuordnung
Allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft; Kulturwissenschaft
Europäische und Amerikanische Literatur- und Kulturwissenschaften
Praktische Philosophie
Europäische und Amerikanische Literatur- und Kulturwissenschaften
Praktische Philosophie
Förderung
Förderung seit 2020
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 453845584
Christopher Kutz eröffnet „Complicity“ (2000), die erste philosophische Monographie zum Thema, mit den folgenden Worten: “We live in a morally flawed world. Our lives are complicated by what other people do, and by the harms that flow from our social, economic, and political institutions. Our relations as individuals to these collective harms constitute the domain of complicity” (1). Laut Thomas Docherty (2016) ist die Situation in der neoliberalen Gegenwart insofern zugespitzt, als Menschen, statt ihre eigene Verantwortung anzuerkennen, dazu eingeladen sind, sich lediglich als rechenschaftspflichtig („accountable“, mit entsprechenden monetären Konnotationen) zu betrachten. Gleichzeitig könnte die Notwendigkeit, das eigene Verhältnis zu kollektiver Schuld kritisch zu reflektieren, in Anbetracht der nahenden Klimakatastrophe kaum dringlicher sein. Während die Aufdeckung von Komplizitäten mit kollektivem Fehlverhalten eine lange Tradition hat, ist die systematische Untersuchung des Konzepts rezent. Noch 2015 attestiert Debarati Sanyal einen relativen Mangel an Theoretisierungen des Begriffs „complicity“; 2016 entsteht dagegen, was im englischsprachigen Raum als „complicity studies“ betitelt werden kann. Innerhalb der Literatur- und Kulturwissenschaften hatte sich laut Joel Pfister (2000) die Komplizitätskritik (d.h. die Aufdeckung der Komplizitäten von Autor*innen, Produzent*innen, Texten, Leser*innen und Publikum) Ende des zwanzigsten Jahrhunderts als Forschungsparadigma etabliert. Nichtsdestotrotz steht Pfisters Arbeit als Ausnahme einem generellen Mangel an Explorationen des Konzepts an sich gegenüber, und Komplizitätskritik wurde bisher nicht mit aktueller Komplizitätsforschung in anderen Disziplinen in Dialog gebracht. Ziel des intendierten Netzwerkes ist es daher, aktuelle Komplizitätsforschung in der Philosophie und verwandten Disziplinen für die Literatur- und Kulturwissenschaften zugänglich zu machen und, umgekehrt, zu erforschen, was Untersuchungen in letzterem Bereich zur Komplizitätsforschung in anderen Disziplinen beitragen können. Nach dem Vorbild von Mark Sanders (2002) und John Storey (2019), betrachten wir Komplizität im Sinne der etymologischen Wurzeln als „Eingefaltetsein“. Das kann beispielswese bedeuten, in soziale Realitätskonstruktionen ‚eingefaltet’ zu sein, welche Alternativen zu Strukturen, die soziale und ökologische Ungerechtigkeit verstetigen und naturalisieren, als utopisch und unrealistisch erscheinen lassen. Diese Lesart von Komplizität kann zudem verdeutlichen, dass Komplizität und Widerstand häufig in einander ‚eingefaltet‘ sind. Darüber hinaus sind die Rollen von Täter*innen und Opfern – wie diverse für die Kulturwissenschaften zentrale Konzepte betonen – häufig ‚ineinandergefaltet‘, da soziale Unterdrückung auf der Komplizität der Unterdrückten aufbaut. Nicht zuletzt planen wir zu eruieren, wie Komplizität überwunden werden kann und wie narrative Texte eine „radikale Entfaltung“ (Storey 2019) fördern können.
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