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Kleine Ruhmesblätter. Robert Walsers Porträt- und Nachrufgedichte in der deutschsprachigen "Prager Presse"

Fachliche Zuordnung Germanistische Literatur- und Kulturwissenschaften (Neuere deutsche Literatur)
Publizistik und Kommunikationswissenschaft
Förderung Förderung seit 2020
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 453178848
 
Von 1927 bis 1933 erschienen zahlreiche Porträt- und Nachrufgedichte des Schweizer Autors Robert Walser im Feuilleton der deutschsprachigen "Prager Presse". Sie sind Zeugnisse journalistischer Kasuallyrik zu Jubiläen, Geburts- und Todestagen. Lange wurden sie im Musterkatalog des Dilettantismus verbucht und schienen interpretatorischer Mühe kaum wert zu sein. Die geplante Monographie hingegen will deren provozierenden Eigensinn im Kontext des Druckortes Prag erforschen und strebt methodisch eine Verbindung von gattungs- und funktionsgeschichtlicher Untersuchung an. Walsers Adaptionen von Hymne, Elegie, Widmungsgedicht, Prosopopöie, Epitaph und Nachruf sind – so die leitende These – Testfälle des literarischen Feuilletons. Im Zentrum des Projekts steht die exemplarische Analyse von Gedichten Walsers über namhafte Schriftsteller, Maler und Flugpioniere. Diese Gedichte sind nicht nur journalistische Lückenfüller, sondern Normbrüche, sie verstoßen strategisch gegen poetische Konventionen der Denkmalsetzung für anerkannte „Respektabilitäten“ (Walser) wie Stifter, Rilke, Hamsun, Pascin oder Nungesser. Auf der Grenze zwischen Spottvers und Lob arbeiten diese feuilletonistischen Kleinstformen der Literatur mit sprachlichen Ambivalenzen, die – anders als satirische Zeitungslyrik – Eindeutigkeiten vermeiden. Erstmals werden Walsers späte Porträt-Gedichte auf den redaktionellen Gestaltungsrahmen in der "Prager Presse" bezogen, die als Sprachrohr des Außenministeriums der ČSR galt und einen permanenten Balanceakt vollzog: zwischen programmatischem Selbstverständnis einer linksliberalen Stimme in Zentraleuropa und Rücksicht gegenüber einer deutschsprachigen Minderheit, die ihre politischen und ästhe-tischen Werturteile aus dem Fundus der Vorkriegszeit bezog. Die Frage nach der Funktion von Walsers Poesie im Prager Kontext ist geleitet vom Interesse an der ästhetischen Distanz, mit der sich diese Gedichte den medialen Diskursen des zeitgenössischen Jubel-, Gedenk- und ‚Abschiedsjournalismus‘ verweigern. Die Perspektive der Analysen wird – auf verschiedenen Ebenen – je neu auszurichten sein: Zu diesen gehören Untersuchungen a) intertextueller Bezüge und Bildtraditionen der Gedichte; b) des diskursiven Stellenwerts der Porträtierten im kulturellen Kontext Prags; c) der paratextuellen Anordnung der Gedichte in der Literaturbeilage „Dichtung und Welt“, vor allem in Sonderausgaben zu Jubiläums- und Todestagen; d) der Funktion der Gedichte für die Redaktion der "Prager Presse". Ziel des Vorhabens ist es – mit einem Blick auch auf aktuelle Tendenzen – zur Erforschung eines bisher kaum beachteten Genres im literarischen Feuilleton beizutragen. Ergänzend zur Monographie ist ein internationaler Workshop „Nekrologe im Feuilleton“ geplant, der in Kooperation mit dem DFG-Graduiertenkolleg „Literatur- und Wissensgeschichte kleiner Formen“ an der HU Berlin stattfinden soll.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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