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Reverse-Engineering der Kinetik von Kornwachstum mittels zeitaufgelöster Rekonstruktion der 3D-Mikro-struktur und mosaikbasierter Modellierung
Antragsteller
Professor Carl Emil Krill III, Ph.D.; Professor Dr. Volker Schmidt
Fachliche Zuordnung
Computergestütztes Werkstoffdesign und Simulation von Werkstoffverhalten von atomistischer bis mikroskopischer Skala
Mathematik
Thermodynamik und Kinetik sowie Eigenschaften der Phasen und Gefüge von Werkstoffen
Mathematik
Thermodynamik und Kinetik sowie Eigenschaften der Phasen und Gefüge von Werkstoffen
Förderung
Förderung seit 2021
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 453092613
Obwohl Kornwachstum in Polykristallen seit langem untersucht wird, bleibt das Verständnis der zugrunde liegenden Mechanismen unvollständig. Einige Aspekte dieses Phänomens – wie die Tendenz größerer Körner, auf Kosten kleinerer Nachbarn zu wachsen – können auf gekrümmte Korngrenzen (KG) bzw. auf eine auf ihr Krümmungszentrum gerichtete mittlere Kraft zurückgeführt werden. Andere Aspekte, wie die Veränderung der Größe und Form einzelner Körner, lassen sich nicht so einfach erklären; selbst aufwändige Simulationen liefern dafür keine zufriedenstellenden Ergebnisse, insbesondere bei abnormalem Kornwachstum.In der Industrie versuchen Unternehmen manchmal, ein Konkurrenzprodukt mittels Reverse-Engineering "zu erkunden", indem sie aus dem beobachtbaren Zusammenspiel der Teile auf das Funktionsprinzip schließen. In diesem Projekt soll eine ähnliche Strategie für das bessere Verständnis von Kornwachstum angewendet werden. Dabei wird davon ausgegangen, dass die oben erwähnten Diskrepanzen auf die "reduzierte Mobilität" der KG zurückzuführen sind, eine kaum verstandene Größe, die der Geschwindigkeit der KG, geteilt durch die mittlere Krümmung, entspricht. Herkömmliche Methoden zur Messung der reduzierten Mobilität liefern einen Wert für eine bestimmte Kombination von KG-Misorientierung und Inklination. Um realistische Modelle des Kornwachstums zu entwickeln, muss man jedoch die reduzierte Mobilität im gesamten 5D KG-Parameterraum kennen.Reverse-Engineering ändert das, indem Zehntausende Werte der eingeschränkten Mobilität gleichzeitig und nicht nacheinander bestimmt werden! Das ermöglichen synchrotronbasierte Röntgenmikroskope, die für eine Al-Legierung verwendet werden, die normales Wachstum zeigt, und für eine weitere, die abnormal wächst. Mit 3D-Bildern, aufgenommen zwischen isothermen Glühphasen, wird die Dynamik der Morphologie und Misorientierung von Tausenden von KG erfasst. Durch die Anpassung neuartiger "warped tessellations" an das KG-Netzwerk ergeben sich analytische KG-Parametrisierungen, aus denen die lokale KG-Krümmung und -Inklination hervorgehen. Mit einer neu entwickelten "Trajektorienanalyse" einzelner KG-Regionen werden lokale KG-Verschiebungen und –Geschwindigkeiten bestimmt. Zusammen ergeben diese Größen die reduzierte Mobilität.Die Abhängigkeit der letzteren Größe von der KG-Misorientierung und -Inklination wird mit mathematischen Copula-Modellen beschrieben. Ein Ansatz mittels neuronaler Netze wird mit mosaikbasierter Modellierung als möglicher Weg zur praktischen Anwendung der Methode verglichen. Die Ergebnisse werden in ein Phasenfeldmodell eingespeist, um zu ermitteln, inwieweit die tatsächliche reduzierte Mobilität die Übereinstimmung von Simulation und Experiment verbessert. Wenn diese Erweiterung auch Simulationen ermöglicht, die abnormales Kornwachstum erzeugen, dann ist gezeigt, dass die Ursache der abnormalen KG-Migration in der Abhängigkeit der reduzierten Mobilität von Misorientierung und Inklination der KG liegt.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen