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Das Settlement-Haus der Reichsuniversität Tokyo: Die Überwindung sozialer Ungleichheit im Japan der Zwischenkriegszeit
Antragsteller
Professor Dr. Hans Martin Krämer
Fachliche Zuordnung
Asienbezogene Wissenschaften
Förderung
Förderung seit 2020
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 448891152
Im Jahre 1923 gründete eine Gruppe linker Studenten und liberaler Professoren der Reichsuniversität Tokyo ein Settlement-Haus in einem Arbeiterviertel in Tokyo. In diesem Haus, in dem Studenten als „settler“ gleichsam inmitten des Proletariats wohnten, war eine Abendschule für Fabrikarbeiter/innen angesiedelt, in der Studenten und Professoren lehrten und die mehrere Gewerkschaftsführer und Politiker hervorbrachte. Daneben wurden Kurse für Erwachsene und Kinder, eine Kleinkindbetreuung, eine Konsumgenossenschaft, kostenlose ärztliche Untersuchungen und kostenlose Rechtsberatung angeboten. Das Settlement-Haus der Reichsuniversität Tokyo ist eines der einflussreichsten Beispiele für die Bemühungen progressiver Kräfte im Vorkriegsjapan, praktisch tätig zu werden, um das als ungleich empfundene sozio-ökonomische System zu ändern.Das vorliegende Projekt hat zum Ziel, die theoretischen Überlegungen hinter und die praktische Arbeit in dem Settlement-Haus der Reichsuniversität Tokyo zu rekonstruieren. Dazu ist das Projekt in drei Teilprojekte aufgeteilt: 1) Arbeiterbewegung, 2) Sozialpolitik, 3) Sozialwissenschaften und Höhere Bildung. Ad 1): Das Settlement-Haus half die japanische Arbeiterbewegung sowohl der Vor- als auch der Nachkriegszeit zu prägen. Insbesondere sollen die in der Forschung unterbelichteten Verbindungen zwischen den theoretischen Anstrengungen progressiver Denker und den praktischen Bemühungen von Aktivisten zur Gesellschaftsreform untersucht werden. Ad 2): Durch die Rechtsberatung, Gesundheitsvorsorge und Kinderbetreuung war das Settlement-Haus ein Anbieter von Wohlfahrts- und Fürsorge-Leistungen. Das Projekt beabsichtigt, den Beitrag anderer Akteure in der Sozialpolitik neben dem in der Forschung allmächtig erscheinenden Staat, auch in ihren Wechselbeziehungen untereinander, angemessen zu würdigen. Ad 3): Die Gründung des Settlement-Hauses fällt in die Zeit des Aufstieges der modernen Sozialwissenschaften in Japan und war stark durch diese geprägt. Andersherum hat die praktische Arbeit im Settlement-Haus aber auch neue hochschuldidaktische Ansätze angeregt und zu neuen Formen der Interaktion zwischen Professoren und Studenten geführt. Dieser Aspekt ist in der Hochschulgeschichtsschreibung bislang noch gar nicht behandelt worden.Indem das Settlement-Haus der Reichsuniversität Tokyo in der größeren Geschichte der Arbeiterbewegung, der Sozialpolitik und der Sozialwissenschaften und höheren Bildung in Japan während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verortet wird, sollen die Querverbindungen zwischen diesen Bereichen herausgearbeitet werden, zusätzlich zu den internationalen Kontexten, die jeweils wirkmächtig waren. Ein Hauptaugenmerk des Projekts liegt auf den Wechselbeziehungen zwischen Theorie und Praxis in progressiven sozialen Bewegungen. Die Ergebnisse des Projekts sollen einfließen in ein längerfristiges und umfangreicheres Buchvorhaben zur Geschichte von Gleichheit und Ungleichheit im modernen Japan.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen