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Der Einfluss aktiver Muskelverkürzung auf die neuromuskuläre Funktion in vivo
Antragsteller
Brent James Raiteri, Ph.D.
Fachliche Zuordnung
Orthopädie, Unfallchirurgie, rekonstruktive Chirurgie
Förderung
Förderung von 2020 bis 2024
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 447345165
Unzählige alltägliche Bewegungsaufgaben beruhen darauf, dass Muskeln zum Beschleunigen und Abbremsen unseres Körpers Kraft erzeugen und ihre Länge ändern, allerdings können wir die entsprechenden Muskelkräfte bisher nicht zufriedenstellend vorhersagen. Dies liegt unter anderem an den gängigen Muskelmodellen zur Vorhersage von Muskelkräften, da diese typischerweise den zeitlichen Ablauf muskulärer Längenänderungen vernachlässigen, obwohl dieser sowohl die Kraftfähigkeit als auch die neuronale Kontrolle der Muskeln beeinflusst. Zum Beispiel ist die Kraftfähigkeit nach einer aktiven Muskelverkürzung im Vergleich zu dem, was man aufgrund der gängigen Kontraktionstheorie erwarten würde, unterdrückt. Dieses Phänomen ist zwar als so genannte ‚residual force depression‘ (rFD) bekannt, unser Verständnis, wie sich neuromuskuläre Kraftproduktion und rFD bedingen, ist jedoch unvollständig. Das liegt daran, dass die maximale Kraftfähigkeit eines Muskels üblicherweise bei konstanter Länge des Muskel-Sehnen Komplexes (MSK) erhoben wird, wir dabei aber vernachlässigen, dass die Elastizität des MSK unter diesen Bedingungen eine aktive Muskelverkürzung zulässt und somit rFD hervorruft. Somit unterschätzen wir die tatsächliche Kraftfähigkeit menschlicher Muskeln und können rFD-bedingte Veränderungen der neuromuskulären Funktion nicht berücksichtigen. Dieses mangelnde Verständnis schränkt die korrekte Vorhersage von Muskelkräften während Alltagsbewegungen ein und beeinträchtigt zum Beispiel unsere Möglichkeiten, die Mobilität über die gesamte Lebenspanne zu verbessern, zu unterstützen oder wiederherzustellen. Deshalb hat sich dieses Forschungsprojekt zum Ziel gesetzt die Wechselwirkungen zwischen rFD und (I) der muskulären Kraftfähigkeit, (II) der Erregbarkeit der motorischen Gehirnareale und der spinalen Leitungsbahnen sowie (III) dem Verhalten der motorischen Nervenzellen im Rückenmark aufzudecken. Dazu werden vier Studien durchgeführt, wobei die Muskellänge und deren Änderungen sowie die Aktivierungshöhe des vorderen Schienbeinmuskels gezielt variiert werden. Zeitgleich werden die Erregbarkeit des neuronalen Systems und das Verhalten der motorischen Nervenzellen mit Hilfe einer einzigartigen und neuen Kombination von Verfahren aus Biomechanik und Neurophysiologie erfasst werden. Vorläufige Ergebnisse zeigen, dass aktive Muskelverkürzung bei konstanter MSK-Länge rFD hervorruft, im Vergleich zu Kontraktionen ohne Muskelverkürzung dann jedoch die Erregbarkeit des Nervensystems erhöht und das Verhalten der motorischen Nervenzellen im Rückenmark verändert ist. Das Verständnis, wie sich rFD und die neuromuskuläre Funktion gegenseitig bedingen, kann dabei helfen Strategien zu entwickeln, um die neuromuskuläre Funktion und somit Mobilität und Lebensqualität über die Lebensspanne zu erhalten. Des Weiteren kann diese Forschung zur Verbesserung aktueller Muskel-Skelett-Modelle, wie sie in Prävention, Rehabilitation, Medizin und Robotik eingesetzt werden, beitragen.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen
Mitverantwortlich
Professor Dr. Daniel Hahn