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Strategien des Sammelns und der Darstellung Chinas im Deutschland des 19. Jahrhunderts: Gothas Chinesisches Kabinett

Antragstellerin Dr. Emily Teo
Fachliche Zuordnung Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Kunstgeschichte
Förderung Förderung seit 2020
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 442207053
 
Das Projekt verschafft einer bedeutenden chinesischen Sammlung aus dem Deutschland des 19. Jh. neue Aufmerksamkeit: dem Chinesischen Kabinett in Gotha. Die Sammlung entstand in der Zeit von 1804 bis 1810 im Auftrag von Herzog Emil August von Sachsen-Gotha-Altenburg (1772–1822). Aus mehr als 2.000 Objekten bestehend, war das Kabinett in den ersten Jahrzehnten des 19. Jh. eine große Sensation und galt als die bedeutendste chinesische Sammlung in Kontinentaleuropa. Durch die wachsende Anzahl an Nationalmuseen in europäischen Metropolen im späten 19. Jh. verschwanden kleinere regionale Sammlungen wie das Chinesische Kabinett allmählich aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit. Im Laufe der Zeit ist die Sammlung in Vergessenheit geraten. Für die Wissenschaft birgt dieser einzigartige Kulturschatz jedoch ein großes Potenzial. Das Projekt untersucht die historische, kulturelle und soziale Genese des Chinesischen Kabinetts anhand eines mikrohistorischen Ansatzes. Damit verspricht das Projekt neue Erkenntnisse zur Sammlungsgeschichte im Deutschland des 19. Jh. und zur deutschen Wahrnehmungen und Darstellungen Chinas sowie zur Herkunft chinesischer Objekte im frühen 19. Jh.Mit dem material turn und im Zuge der aktuellen Debatten über koloniale Objekte wächst das Interesse an fremden Objekten in europäischen Museen. Die heutigen Debatten zu chinesischen Sammlungen konzentrieren sich überwiegend auf den britischen und französischen Kolonialkontext und nutzen meist Ansätze der postcolonial theory. Diesen Deutungen zufolge diente die Darstellung importierter Objekte dazu, ethnografisches Wissen zu produzieren und zugleich den Kolonialismus zu bewerben. Jedoch lassen diese Ansätze chinesische Sammlungen im Deutschland, die ihre eigene Entstehungsgeschichte haben, weitestgehend unbeachtet. Das Projekt bietet deshalb ein wichtiges Korrektiv zur aktuellen Debatte über chinesische Sammlungen in Europa, indem es Gothas Chinesisches Kabinett einem close reading unterzieht. Anstatt postkoloniale Narrative auf die Sammlung zu projizieren, beschäftigt sich die Analyse mit Fragen des Raums und der Präsentation. Dabei kann auf einen umfangreichen Quellenbestand zurückgegriffen werden, der von Archivalia bis hin zu den chinesischen Objekten aus dem Kabinett reicht. Auf diese Weise kann ein tieferer Einblick in die Sammlungs- und Ausstellungspraktiken des 19. Jh. gewonnen und weitere Kenntnisse in Bezug auf ästhetische Vorlieben, aristokratische Selbstdarstellung und die Netzwerke, die beim Erwerb chinesischer Objekte beteiligt waren, erfasst werden. Dabei lautet die These, dass chinesische Sammlungen im Deutschland des frühen 19. Jh. eine große Neugierde von aristokratischen Sammlern an China widerspiegeln. Diese nutzten ihre Sammlungen und die dazugehörigen Objekte zur Selbstrepräsentation sowie für den eigenen Wissenserwerb. Damit unterschieden sich ihre Strategien erheblich von jenen, die später, in ethnografischen Museen im Zeitalter des Imperialismus angewandt wurden.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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