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Das natürlich Schlechte: Zum Wesen des Leids und seiner Rolle in der gegenwärtigen Tugendethik
Antragstellerin
Dr. Eva-Maria Düringer
Fachliche Zuordnung
Praktische Philosophie
Förderung
Förderung seit 2019
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 427387307
Während in den letzten fünfzehn Jahren intensive Debatten über die Ontologie und ethische Relevanz von Lust und Schmerz geführt worden sind, ist die Ontologie und ethische Relevanz von Leid bis auf wenige Ausnahmen ignoriert worden. Ein klares Verständnis der Wesensart des Leids, das ein deutlich komplexeres Phänomen als eine Schmerzempfindung ist, ist jedoch zum einen an und für sich wünschenswert und wird zum anderen Debatten in der normativen und angewandten Ethik wichtige neue Impulse liefern. Keiner der derzeitigen Begriffsbestimmungen des Leids ist in der Lage, zuverlässig Leiderfahrungen, und nur Leiderfahrungen, als solche zu identifizieren. Mein Ziel ist es, eine Begriffsbestimmung des Leids zu entwickeln, die dies leisten kann. Ich werde argumentieren, dass das wesentliche Element des Leids, also jenes, aufgrund dessen alle noch so unterschiedlichen Manifestationen des Leids tasächlich Leiderfahrungen sind, in einer Konfiguration des Willens besteht: Im Leid verlieren unsere Wünsche an motivationaler Kraft und ihre Objekte erscheinen in weniger positivem Licht. Typischerweise wird dies von der Frustrationen zentraler Wünsche unseres Willens verursacht. In zwei weiteren Schritten möchte ich zeigen, dass dieses Leidverständnis zwei Debatten innerhalb der gegenwärtigen Tugendethik bereichern und neue Lösungsansätze bieten kann. Zunächst werde ich demonstrieren, dass eine Beschreibung des Leids als negatives Telos aller Lebewesen ein vermeintliches Dilemma auflösen kann, mit dem sich der Neo-Aristotelische Naturalismus konfrontiert sieht: Entweder leiten wir das Gute von einer Natur ab, die bereits wichtige Werteigenschaften enthält (zweite Natur), woraufhin der Naturalismus deutlich an Attraktivität verliert, oder wir leiten das Gute von der Natur ab, die wir mit anderen Tieren teilen, woraufhin wir ein verzerrtes und kontraintuitives Bild von moralisch guten und schlechten Handlungen zeichnen müssen. Im zweiten Schritt werde ich zeigen, dass das Verstehen von Leid in uns selbst und anderen ein zentrales Element der praktischen Weisheit darstellt. Das Leidverstehen kann erklären, warum und wie der praktisch weise Mensch in der Lage ist, zuverlässig in jeder Situation die moralisch relevanten Aspekte zu erkennen.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen