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Die Organisierung universitärer Bildung und Kreditvergabe in Migrationsgesellschaften Südbrasiliens

Fachliche Zuordnung Politikwissenschaft
Förderung Förderung von 2019 bis 2023
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 391467173
 
Brasilien blickt auf eine wechselhafte Geschichte seiner Staatlichkeit zurück. Nach Ende des zweiten Kaiserreiches war die 1891 gegründete Republik in vielfacher Hinsicht ein schwacher Staat, besonders in ihren abgelegenen Regionen wie in Südbrasilien. Mit dem Projekt des von Getúlio Vargas autoritär geprägten Estado Novo (1937-1945) wurde versucht, die Regulierungskraft des Nationalstaats zu erhöhen. Dies gelang auch in zentralen Funktionsbereichen, jedoch nicht dauerhaft. Funktionale und territoriale Schwankungen staatlicher Regulierungskapazität durchziehen auch die späteren Phasen autoritärer und demokratischer Herrschaft. Das Teilprojekt untersucht zwei Erscheinungsformen lokaler Selbstregelung in Südbrasilien in den beiden Funktionsbereichen soziokulturelle und materielle Grundlagen. Dabei soll das komplexe Verhältnis der Relationen zwischen nationaler und lokaler staatlicher Regulierung einerseits und dem Regelungsvermögen lokaler Gemeinschaften andererseits analysiert werden. Mit Santa Cruz do Sul steht ein Ort in Südbrasilien (Bundestaat Rio Grande do Sul) im Zentrum von zwei Fallstudien, in denen jeweils unterschiedliche Regelungsbereiche untersucht werden. In der ersten Fallstudie werden Bildungseinrichtungen betrachtet, die an die früheren Aktivitäten deutscher Siedler*innen anknüpfen. Konkret wird die Entstehung und Funktionsweise einer Einrichtung der höheren Bildung – der Gemeindeuniversität UNISC – analysiert, die allein von zivilgesellschaftlichen Trägern betrieben wird. Dabei wird die These untersucht, dass die Immigrant*innen maßgeblich zur Herausbildung einer virulenten Zivilgesellschaft beigetragen und sich in diesem Prozess die Liminierungszusammenhänge innerhalb der Migrationsgesellschaft verschoben und neu konstituiert haben. In der zweiten Fallstudie werden analoge Transformationen mit Blick auf die Bildung von Sozialkapital im wirtschaftlichen Bereich untersucht und zwar am Beispiel der lokalen Kreditgenossenschaft Sicredi Vale do Rio Pardo, einer der ersten Genossenschaften Brasiliens für Agrarkredite. Nicht nur aufgrund ihres Überlebens in der Militärdiktatur ist Sicredi heute ein Vorbild für Beteiligung, Transparenz und Innovation unter den Genossenschaften Brasiliens.Aus dieser Perspektive ist auch ein Abgleich mit den kollektiven Narrativen aus dem Bildungsbereich sowie den jeweiligen Legitimierungsstrategien und -inhalten von Interesse. In einer historischen Perspektive wird unter Einbezug von Pfadabhängigkeiten vergleichend ausgewertet, welche lokalen Transformationen mit welchen Liminierungseffekten stattgefunden haben. Ein wichtiger Aspekt der beiden Fallstudien ist die Berücksichtigung der Regimeausprägung staatlicher Herrschaft. Insbesondere bei einem Regimewechsel ist zu prüfen, inwieweit sich die Relationen von lokaler Selbstregelung und staatlicher Ordnungsmacht verändert haben.
DFG-Verfahren Forschungsgruppen
 
 

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