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Die Expansion regenerativer Stromerzeugung als Motor systembezogener Innovationen im deutschen Elektrizitätssektor

Fachliche Zuordnung Soziologische Theorie
Förderung Förderung von 2007 bis 2010
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 41407331
 
Erstellungsjahr 2012

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die zentrale Ausgangsfrage des Projekts lautete, inwieweit die in der Bundesrepublik zu beobachtende expansive Entwicklung der Stromerzeugung aus regenerativen Energiequellen zu neuen systembedingten Herausforderungen sowie – perspektivisch betrachtet – zu einem Systemwandel des Elektrizitätssektors führt. Im Einzelnen zielte die Untersuchung darauf ab, mit den erneuerbaren Energien einen expandierenden Bereich alternativer Stromerzeugung nach technischen wie sozialen Innovationspotenzialen und bereits erkennbaren Innovationswegen zu befragen, die sich im Spannungsfeld von soziotechnischer Dezentralisierung und weiter fortbestehender Zentralisierung des Stromsystems abzeichnen. Die empirischen Erhebungen beruhten auf qualitativen Methoden, insbesondere auf thematisch strukturierten Leitfadeninterviews sowie auf der Auswertung von schriftlichen Dokumenten. Im Zentrum der Forschungsergebnisse steht eine Typologie von „Produktionsmodellen“ der Ökostromerzeugung, die sich seit dem Ende der 1980er Jahre aus einer unter sozialökonomischen Gesichtspunkten zunächst recht homogenen soziotechnischen Nische der erneuerbaren Energien entwickelt haben. Wir unterscheiden 1) das sozialökologische Modell; 2) das mittelständische Modell; 3) das kommunalwirtschaftliche Modell; 4) das großkapitalistische Modell; 5) das transnational-großindustrielle Modell. Das zentrale Merkmal, in dem sich die Produktionsmodelle unterscheiden, ist der für sie jeweils kennzeichnende Organisations- bzw. Unternehmenstyp. Im Einzelnen erfassen wir damit relevante sozialökonomische Interessenlagen und Handlungsressourcen, die den Produktionsmodellen zugrunde liegen, sowie wichtige Handlungsmotive der jeweils beteiligten Akteure. Weitere relevante Dimensionen der Typologie sind systembezogene Strukturvorstellungen – etwa in der Frage der Systemintegration erneuerbarer Energien – sowie energiewirtschaftliche Zielvorstellungen, an denen die Produktionsmodelle ausgerichtet sind. In der techniksoziologischen Debatte um große technische Systeme ging man lange davon aus, dass Netzgebundenheit zu einer tendenziell einheitlichen Systemstruktur eng gekoppelter und hierarchisch gesteuerter Elemente führen müsse. Auch das Standardmodell des Mehrebenen-Ansatzes soziotechnischer Transformation sieht vor, dass ein von innovativen Nischentechniken angestoßener Transformationsprozess im Erfolgsfall auf ein neues, wiederum tendenziell homogenes soziotechnisches Regime hinaus läuft. Demgegenüber sprechen unsere Befunde dafür, dass die weitere Entwicklung im deutschen Stromsektor nicht auf eine neue einheitliche Regimestruktur, sondern auf die dauerhafte Koexistenz unterschiedlicher Produktionsmodelle der Stromerzeugung bzw. die Herausbildung einer „pluralen“ Regimestruktur hinaus laufen könnte. Wir betrachten dies als eine durch unsere empirischen Untersuchungen begründete Hypothese, die durch weitere Forschungen zu überprüfen wäre. Dies erscheint nicht zuletzt deswegen notwendig zu sein, weil die gegenwärtige Situation im deutschen Stromsektor von einem hohen Maß an Offenheit gekennzeichnet ist. So beruhen die von uns untersuchten Entwicklungen auf der Mesoebene der Produktionsmodelle zum Teil auf Prozessen gesellschaftlicher Selbstorganisation sowie auf Marktdynamiken, die sich zentraler politischer Steuerung entziehen. Letztere wird dadurch aber keineswegs irrelevant werden, sondern auch in Zukunft – etwa in Fragen der Ökostromförderung oder des Atomausstiegs – im hohen Maße darüber mitentscheiden, welche weiteren Entfaltungsmöglichkeiten alternative und ökologisch nachhaltige Produktionsmodelle im Stromsektor haben werden. Mehr noch: Absehbar ist, dass das Zusammenspiel von energiepolitischer Einflussnahme und gesellschaftlicher Selbstregulierung des Stromsektors unter zunehmend komplexeren Rahmenbedingungen erfolgen und neue Steuerungsanforderungen an den Staat stellen wird.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2010): Soziale Dynamik der Energiewende in der deutschen Stromversorgung: Weder Bruch noch Pfadkontinuität. In: Soeffner, Hans-Georg (Hrsg.), Unsichere Zeiten. Herausforderungen gesellschaftlicher Transformationen. Verhandlungen des 34. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Jena 2008. Band 1. Wiesbaden, S. 411- 423
    Mautz, Rüdiger
  • (2011): Energie und Gesellschaft: Die soziale Dynamik der fossilen und der erneuerbaren Energien. In: Groß, Matthias (Hrsg.), Handbuch Umweltsoziologie. Wiesbaden, S. 399-420
    Rosenbaum, Wolf/Mautz, Rüdiger
  • (2012): Atomausstieg und was dann? Probleme staatlicher Steuerung der Energiewende. In: dms – der moderne staat – Zeitschrift für Public Policy, Recht und Management, 5. Jg., Heft 1/2012, S. 149-168
    Mautz, Rüdiger
  • (2012): Der deutsche Stromsektor im Spannungsfeld energiewirtschaftlicher Umbaumodelle. In: WSI Mitteilungen 2/2012, S. 85-93
    Mautz, Rüdiger/Rosenbaum, Wolf
 
 

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