Prozessmodell, Parameteridentifikation, experimentelle Verifikation und Kompensation der Abdrängung
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Zur Untersuchung der Wechselwirkungen von Industrieroboterstruktur und Fräsprozess wurde mit Hilfe von Simulationsmodellen die Beeinflussung der Roboterdynamik durch hohe Schnittkräfte am Endeffektor analysiert und modellbasierte Strategien zur Kompensation von Abdrängungen am TCP entwickelt. Durch die hohen statischen und dynamischen Prozesskräfte am Tool Center Point (TCP) kann das System Roboter nicht als starr angenommen werden. Daher wurde der Ansatz eines exiblen Mehrkörpermodells des Roboters gewählt. Hierbei wurde insbesondere im Hinblick auf die Modellkomplexität untersucht, inwieweit die Strukturkomponenten durch starre bzw. feinskalige Modelle beschrieben werden können und welche weiteren Effekte wie beispielsweise Gelenkkippfreiheitsgrade, Reibung oder Spiel integriert werden müssen. Die modular implementierten Simulationsmodelle können diese Effekte erfassen und sind auf allgemeine kinematische Baumstrukturen übertragbar. Die zur Parametrierung des Robotermodells notwendigen Messungen wurden durch das PTW durchgeführt. Zur Fräsprozessmodellierung wurde auf bekannte Fräskraftmodelle aufgesetzt und ein auf den Industrieroboterfräsprozess abgestimmtes Fräsmodell auf Dexel-Basis zur Berechnung der Bearbeitungskräfte entwickelt und validiert. Die aufgebaute Softwareumgebung stellt eine Auswahl effizienter Dynamikalgorithmen bereit und ermöglicht durch die Anbindung der ADOL-C-Bibliothek die präzise Berechnung von Ableitungsinformationen. Damit ist die Roboterdynamiksimulation sowohl der genauen Sensitivitätsanalyse als auch den effizienten Methoden der gradientenbasierten Optimierung zugänglich. Wege der optimalen Experimentplanung und der Parameterschätzung mit Hilfe optimierungsbasierter Parameterschätzer konnten damit aufgezeigt und getestet werden. Nach Validierung des Modells am realen Roboter und iterativen Optimierungsschritten der Modelle kann im Arbeitsraum die statische Abdrängung berechnet werden. Auf dieser Grundlage lassen sich die Wirkzusammenhänge zwischen Prozess und Roboterstruktur durch Sensitivitätsanalysen von verschiedenen Parametern darstellen. Mit den entwickelten geometrischen, modellbasierten und optimalsteuerungsbasierten Fehler- Kompensationsstrategien wurden Strategien unterschiedlicher Komplexität, Verallgemeinerung und Genauigkeit untersucht und eine signifikante Genauigkeitsverbesserung beim Fräsen mit Industrierobotern erreicht. Die hier entwickelte Offline-Methode ist weder auf einen Zugriff auf interne Sensorik des Industrieroboters angewiesen noch sind An- oder Umbauten erforderlich. Die modellbasierte Bahnkorrektur konnte die Fräskräfte ausreichend genau abbilden und eine Fräsbahn korrigieren, wodurch der Bearbeitungsfehler um 37% reduziert werden konnte. Dies ist insbesondere bei einem statischen Bahnversatz erfolgreich. Die modellbasierte Bahnkorrektur konnte ebenfalls bei komplexeren Werkstückkonturen eingesetzt werden. Die Dynamik des Roboters konnte nur näherungsweise abgebildet werden, womit lediglich eine leichte Reduktion der Eintauchbewegung und des Überschwingens in den Eckbereichen einer Roboterbahn realisiert wird. Die Bahnkorrektur ist generell nur erfolgreich, wenn eine ausreichende Kraftbelastung vorherrscht und sich damit eine Fräsbahnabdrängung einstellt. Nicht-kraftbasierende Oberflächenfehler wie beispielsweise auf Grund der mangelnden Grundgenauigkeit des Roboters kann die modellbasierte Bahnkorrektur noch nicht beeinflussen, da beispielsweise die Steuerung, Regelung und Achsantriebe im Robotermodell noch nicht implementiert sind. Die Kompensationsstrategien sind auf weitere Roboteranwendungen übertragbar, sofern die für Bahnabweichungen ursächlichen externen Kräfte am Endeffektor hinreichend genau modelliert werden können. Für das Projektziel einer fertigungstechnisch interessanten Erweiterung des Einsatzbereichs von Industrierobotern konnte damit erfolgreich ein Weg aufgezeigt werden.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- Comparison of implementations of a flexible joint multibody dynamic system model for an industrial robot. In 6th CIRP International Conference on Intelligent Computation in Manufacturing Engineering, 23-25 July, Naples, Italy, 2008
E. Abele, J. Bauer, C. Bertsch, R. Laurischkat, H. Meier, S. Reese, M. Stelzer, O. von Stryk
- High speed cutting with industrial robots: Towards model based compensation of deviations. In Proceedings of Robotik 2008, 11-12 June, Munich, Germany, S. 143–146, 2008
M. Stelzer, O. von Stryk, E. Abele, J. Bauer, and M. Weigold
- Prediction of the tool displacement by coupled models of the compliant industrial robot and the milling process. In Proceedings of the International Conference on Process Machine Interactions, S. 223–230, Hannover, Gemany, 3-4 September 2008
E. Abele, J. Bauer, S. Rothenbücher, M. Stelzer, O. von Stryk
- Wechselwirkungen von Fräsprozess und Maschinenstruktur am Beispiel des Industrieroboters. WT-online, S. 733 – 737, 2008
E. Abele, J. Bauer, M. Stelzer, and O. von Stryk
- Prediction of the tool displacement for robot milling applications using co-simulation of an industrial robot and a removal process. In CIRP 2nd International Conference Process Machine Interactions. CIRP, 2010
E. Abele, J. Bauer, M. Pischan, O. v. Stryk, M. Friedmann, and T. Hemker
- Comparison and validation of implementations of a flexible joint multibody dynamics system model for an industrial robot. CIRP Journal of Manufacturing Science and Technology, 2011
E. Abele, J. Bauer, T. Hemker, R. Laurischkat, H. Meier, S. Reese, O. von Stryk
(Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.cirpj.2011.01.006) - Dynamic Modeling and Optimal Control for Industrial Robots in Milling Applications“, SIAM Conference on Optimization, 2011
C. Reinl, M. Friedmann, E. Brendel, O. von Stryk
- Model-based off-line compensation of path deviation for industrial robots in milling applications. In IEEE/ASME International Conference on Advanced Intelligent Mechatronics (AIM), 2011
C. Reinl, M.Friedmann, J.Bauer, M. Pischan, E. Abele, and O. von Stryk
(Siehe online unter https://doi.org/10.1109/AIM.2011.6027113)