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Gamification. Grenzverschiebungen zwischen Spielerischem und Nicht-Spielerischem

Fachliche Zuordnung Theater- und Medienwissenschaften
Förderung Förderung von 2018 bis 2021
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 398790612
 
Seit einigen Jahren wird die Durchdringung ehemals als spielfern angesehener Bereiche der Gesellschaft mit Metaphern, Methoden und Attributen aus der Welt der Computerspiele als "Gamification" bezeichnet. Das Projekt unterzieht diese Diagnose einer grundlegenden, kulturhistorischen und medienwissenschaftlichen Kritik und Revision. Dazu wird erstmals untersucht, inwiefern der Mechanismus der Gamification historisch viel weiter zurückreicht und auf je kulturelle Vorentscheidungen über die Unterscheidung von "Spielerisch"/"Nicht-Spielerisch" referiert, wann und inwiefern digitale Medien eine qualitative Differenz markieren und welche Implikationen diese Erkenntnisse für die Rede von "Gamification" als Signatur unserer Gegenwart und "digitaler Kulturen" haben. Dazu werden drei historische Abschnitte erforscht: 1) Das 18. Jhd. und die Legalisierung der Lotterien, spielerische Kompositionsverfahren und Praxen ludifizierter Alltagsbeschäftigungen.2) Der Viktorianische Dandyismus und neue Formen von Selbstdarstellung und Techniken des Selbst, die einer elitären sozialen Gruppe Frühformen der Gamification offerierten.3) Die Konzeptphase des Personal Computers, innerhalb derer die systematische Unterscheidung zwischen Spielerischem und Spielfernem von seinen maßgeblichen Entwicklern thematisiert und der PC als mentalitätsverändernde "Spielmaschine" und "mediales Apriori" künftiger, digitaler Kulturen verstanden wurde. Dadurch werden die bislang vereinzelten, auf Fragestellungen des Marketing, der Produktivität oder der Gesundheit gerichteten Gamification-Studien maßgeblich erweitert und kulturhistorisch sowie medienwissenschaftlich fundiert.Dies beinhaltet drei Forschungsziele:i) Die Historisierung von Spieltheorien und ihrer jeweiligen Grenzziehungen zwischen "Spielerischem" und "Nicht-Spielerischem" sowie die genealogische Herleitung aktueller gamifizierter Praxen aus ihren historischen Vorläufern.ii) Die Rekonstruktion einer systematischen Grenzverschiebung zwischen Spielerischem und Nicht-Spielerischem im Moment der medientheoretischen und -technischen Grundlegung des PC sowie die Ermittlung einer methodischen Vergleichsebene zwischen dieser Grenzverschiebung (an der Schwelle zu "digitalen Kulturen") und jenen des 18. und 19. Jhd., etwa bezüglich der Bedeutung von Medientechnologien, hinsichtlich Fragen von "ästhetischer Erziehung", kindhaft-spielerischer versus seriös-erwachsener Weltaneignung, oder anhand von Figuren des Spielverderbers und anderer Interaktionstypen.iii) Die Darstellung des scheinbar jungen Gamification-Phänomens als Teil einer Theorie- und Praxisbildung des Umgangs mit bestimmten Apparaten, Materialien und Methoden, die sich medial und ästhetisch über wesentlich längere Zeiträume formiert hat. Gamification soll dadurch neu definiert werden als jeweiliges Verhältnis zwischen den Konkreta zeitgenössischer Spiele, der Herausbildung von Spiel- und Sozialtheorien und den jeweiligen Grenzen, die Gamification erst ermöglichen.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
Mitverantwortlich Professor Dr. Claus Pias
 
 

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