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Die Philosophie der Erforschung komplexer, adaptiver, und bifurkierender Wirtschaftssysteme
Antragsteller
Dr. Tobias Henschen
Fachliche Zuordnung
Theoretische Philosophie
Förderung
Förderung von 2018 bis 2024
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 396771801
Ziel des Forschungsprojekts ist die Begründung einer Philosophie der Komplexitätsökonomie. Komplexitätsökonomie (KÖ) unterscheidet sich von der herkömmlichen Ökonomie (HÖ) vor allem darin, dass sie analytisch nicht lösbare nichtlineare Gleichungssysteme verwendet, um dynamische Wirtschaftssysteme zu untersuchen, die aus heterogenen Gruppen von Akteuren zusammengesetzt sind, die direkt miteinander interagieren und durch Verhaltensänderung auf Änderungen von Systemeigenschaften reagieren, die wiederum Folge von Umweltänderungen sind. Während die HÖ eine alte und ehrwürdige Disziplin ist, ist die KÖ relativ jung: sie ist erst in den 1980er Jahren entstanden, als die ersten Computersimulationstechniken entwickelt wurden, die zur Untersuchung komplexer Wirtschaftssysteme eingesetzt werden können. Und während die Philosophie der HÖ seit etwa 30 Jahren ein beliebter und reger Forschungsbetrieb ist, existiert die Philosophie der KÖ fast gar nicht.Eine philosophische Untersuchung der Methoden und Grundbegriffe der KÖ wird aber immer dringlicher, weil eine zunehmende Anzahl von Forschern einen Paradigmenwechsel fordert. Insbesondere seit der Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008/09 behaupten viele von ihnen, dass die KÖ bessere Erklärungen, Vorhersagen und wirtschaftspolitische Analysen liefere als die HÖ, und dass die KÖ deshalb eine stärkere Präsenz im Lehrangebot und Mitarbeiterstab wirtschaftswissenschaftlicher Fachbereiche verdient habe. Eine angemessene Beurteilung dieser Behauptung setzt aber Antworten auf Fragen wie die folgenden voraus: Inwiefern können die in der KÖ verwendeten Generalisierungen zu explanatorischen und prädiktiven Zwecken eingesetzt werden? Bringen sie die Kausalbehauptungen zum Ausdruck, die wirtschaftspolitische Entscheidungen überhaupt erst rechtfertigen können? Was für eine Art von Kausalität operiert in komplexen Wirtschaftssystemen? Während die Philosophie der HÖ zu einigen überzeugenden Antworten auf entsprechende Fragen gelangt ist, bleibt die Philosophie der KÖ diese Antworten bislang schuldig. Und während die Philosophie der HÖ zu (nicht immer schmeichelhaften) Bewertungen der Methoden der HÖ übergegangen ist, fehlt für methodologische Bewertungen der KÖ bislang die Grundlage.Das Forschungsprojekt soll die Grundlage für diese Bewertungen schaffen, indem es zunächst die Metaphysik der KÖ erforscht. Es wird dann diese Bewertungen durchführen, indem es einige der wichtigsten Computermodelle untersucht, die von Komplexitätsökonomen zu explanatorischen, prädiktiven und Politik rechtfertigenden Zwecken eingesetzt werden. Das Projekt soll ferner die Ethik der KÖ und KÖ-basierter Politik untersuchen: Ist die KÖ durch nicht-epistemische Werte beeinflussbar? Was ist das Besondere an KÖ-basierter Politik? Was sollten ihre Ziele sein? Beruht sie auf sicherem Wissen? Das Projekt soll abschließend die Frage klären, ob wir im Hinblick auf das Verhältnis von HÖ und KÖ Monisten oder Pluralisten sein sollten.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen
Internationaler Bezug
Großbritannien, USA