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Die Moden der Klassik. Weimarer Klassik und Pariser Mode
Antragsteller
Privatdozent Dr. Boris Roman Gibhardt
Fachliche Zuordnung
Germanistische Literatur- und Kulturwissenschaften (Neuere deutsche Literatur)
Förderung
Förderung von 2017 bis 2020
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 391601424
Die Studie untersucht das Verhältnis der Weimarer Klassik zur Pariser Kultur, vor allem der Pariser Mode, um 1800. Dieses Verhältnis war bislang insofern unbekannt, als davon ausgegangen wurde, dass die Deutsche Klassik in erster Linie auf Italien und genauer auf Rom, nicht auf Paris, Bezug nimmt. Die Studie korrigiert diese Annahme einer Paris-Indifferenz der Klassik insbesondere am Beispiel der Mode und Alltagskultur, der bislang im Verständnis der Weimarer Klassik als einer Schrift-Kultur nur eine geringe Bedeutung eingeräumt wurde. Dagegen werden die weitreichenden Konsequenzen aufgezeigt, die Akteure des klassischen Weimar aus Phänomenen materieller Kultur und ihrer ökonomischen und ästhetischen Fundierung gezogen haben. Diese Materialität hängt eng mit einer Ausprägung neuer bürgerlicher ,urbaner’ Lebensstile zusammen, die in Deutschland um 1800 insbesondere mit Paris assoziiert werden, durch Presse und Warentransfer aber weder auf den Herkunftsort noch auf eine soziale Käuferschicht beschränkt bleiben. Weimar als Ort wurde zwar von Wortführern der Klassik wie Goethe und Wieland programmatisch als Gegenmodell zur Pariser Beschleunigung und Kommerzialisierung stilisiert. Doch verpflichtet Goethe die Weimarer Kultur mit seiner angestammten intellektuell-kosmopolitischen Ausrichtung deshalb umso vehementer auf eine Auseinandersetzung mit der Pariser Kultur. Es wird gezeigt, dass Goethe und Schiller die von ihnen diagnostizierten Pariser Fehlentwicklungen in ästhetischer Bildung und Kunststreben auch deshalb reflektieren, um sie für den eigenen Wirkungsbereich noch aufhalten und regulieren zu können. Die Kritik an einer falschen, .unklassischen’ Aneignung neuer urbaner Lebensstile wird in der Studie vor allem an der Reaktion Goethes und Schiller auf das Weimarer Journal des Luxus und der Moden dargestellt, da dessen Herausgeber Fr. J. Bertuch einen historisch neuartigen kommerziellen Konsum, gerade auch Pariser Mode, als bürgerliches Komfortstreben popularisiert und dabei ökonomisch wie ästhetisch fundiert. Diese populäre Materialität korreliert jedoch mit der Autonomieästhetik der Klassik einschließlich ihrer Konzeption von Arbeit, Handwerk und Muße. Es wird gezeigt, dass die Autonomieästhetik wie auch die nachklassische Poetik {Die Wahlverwandtschaften) eine bewusste Reaktion auf die kommerzielle Aneignungspraxis darstellt und dass im Umkehrschluss die materielle Kultur, als Kontrastfolie, zur Ausformulierung des klassizistischen Programms entscheidend beigetragen hat. Aufgezeigt wird damit ein Grundkonflikt Weimarer Kultur, der auch unabhängig von Pariser Mode besteht, an dieser aber exemplarisch und zugespitzt dargestellt werden kann. Die Studie verbindet eine Analyse des Kulturaustauschs und der Presse mit einer kultur- und ästhetikgeschichtlichen Erschließung von Mode, Wohnkultur und Stil sowie einem dose reading zahlreicher Schriften aus dem Goethe-Umfeld. ...
DFG-Verfahren
Publikationsbeihilfen