Großsiedlungen in der Krise? Modernekritik und Vergemeinschaftung in den 1970er Jahren
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Projekt „Großsiedlungen in der Krise?“ hat auf drei verschiedenen Ebenen wichtige Einsichten geliefert: 1. auf einer historisch-empirischen Ebene über den ambivalenten Zusammenhang von zivilgesellschaftlicher Aktivierung und der einsetzenden Stigmatisierung der Großsiedlungen. Die Partizipationsmöglichkeiten, die sich insbesondere in den frühen 1970er Jahren eröffneten, führten zwar dazu, dass die Bewohner*innen die Lebensqualität durch die Aneignung der neuen Siedlungen deutlich verbessern konnten. Zugleich reproduzierten sie dabei aber auch die in wachsendem Maße negative Außenwahrnehmung, die vielen Siedlungen den Ruf von „sozialen Brennpunkten“ einbrachte. Aus den spezifischen historischen Bedingungen, unter denen um 1970 Vergemeinschaftungsprozesse in den Großsiedlungen einsetzten, resultierte die Diskrepanz zwischen den vergleichsweise guten Wohnbedingungen und dem schlechten Image, das die Großsiedlungen auch heute noch im interdisziplinären Debatten über „benachteilige“ Statteile kennzeichnet. 2. hat das Projekt auf der methodischen Ebene einen Beitrag zur Diskussion über die Nutzung sozialwissenschaftlicher Studien als Quellen für die zeitgeschichtliche Forschung geleistet. Dadurch dass Großsiedlungen seit ihrer Entstehung immer wieder intensiv beforscht wurden, ist nicht nur reichlich Quellenmaterial vorhanden, sondern diese Studien haben auch das Bild der Großsiedlungen nachhaltig geprägt. Zugleich, und darauf zielt das im Rahmen des Projekts entwickelte Konzept der „sozialwissenschaftlichen Intervention“ ab, sollten diese Studien aber immer auch unmittelbar auf das Zusammenleben in den Großsiedlungen zurückwirken. Dieser für die Zeitgeschichte bedeutsame Zusammenhang lässt sich über die zahlreich überlieferten Studien und die Daten, die sie generiert haben, rekonstruieren.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- Großsiedlungen als Problemkonstruktion (Schwerpunktheft). Forum Stadt 3/2020
Sebastian Haumann/Swenja Hoschek (Hrsg.)
- Public Housing in West Germany. Expansion and Crisis of the Neue Heimat, in: Journal of Urban History 2020
Sebastian Haumann
(Siehe online unter https://doi.org/10.1177/0096144220959650) - Wer gestaltet Großsiedlungserzählungen? Diskursive Imagekonstruktion eines Wohnortes in der BRD der 1970er Jahre, in: Jelena Tomović/Sascha Nicke (Hrsg.): Un-Eindeutige Geschichte(n)?! Theorien und Methoden in den Kultur-/Geschichtswissenschaften, Berlin 2020, S. 169-196
Swenja Hoschek
- Wohnfolgeeinrichtungen problematisieren. Spielplätze als Aushandlungsräume in den 1970er Jahren im Osdorfer Born, in: Forum Stadt 3/2020, S. 207-222
Swenja Hoschek
- Zielkonflikte bei Partizipationsverfahren. Das Beispiel der Anwaltsplanung in Darmstadt-Kranichstein, in: Matthias Brunner/Maren Harnack/Natalie Heger/Hans Jürgen Schmitz (Hrsg.): Transformative Partizipation. Strategien für den Siedlungsbau der Nachkriegsmoderne, Berlin 2021, S. 25-34
Swenja Hoschek
(Siehe online unter https://doi.org/10.1515/9783868599756-003) - Anwaltsplanung als sozialwissenschaftliche Intervention. Forschung, Wissensvermittlung und soziale Aktivierung um 1970, in: Geschichte und Gesellschaft 48 (2022), S. 89-115
Sebastian Haumann/Swenja Hoschek
(Siehe online unter https://doi.org/10.13109/gege.2022.48.1.89) - Zwischen Stigma und Alltag. Nachbarschaften und Anpassungen von Großsiedlungen durch ihre Bewohner*innen in den 1970er-Jahren, Diss. TU Darmstadt 2022
Swenja Hoschek