Detailseite
Die Interaktion von bayesianischer Pragmatik und lexikalischer Semantik im Sprachverstehen: Eine Untersuchung probabilistischer Vorhersagen von Hörern mithilfe ereigniskorrelierter Potentiale
Antragsteller
Professor Dr. Markus Werning
Fachliche Zuordnung
Allgemeine und Vergleichende Sprachwissenschaft, Experimentelle Linguistik, Typologie, Außereuropäische Sprachen
Theoretische Philosophie
Theoretische Philosophie
Förderung
Förderung von 2017 bis 2023
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 367110651
Wie beeinflussen Diskurskontexte die Komposition von Satzbedeutungen aus lexikalischen Bedeutungen? Der Bedeutungsähnlichkeits-Ansatz geht davon aus, dass Diskurskontexte Satzbedeutungen beeinflussen, weil semantische Ähnlichkeiten zwischen den Wörtern des Diskurses und Wörtern des betreffenden Satzes bestehen (Otten & Van Berkum, 2008). Der Freie Pragmatische Ansatz hingegen verteidigt die kontroverse Behauptung, dass auch pragmatische Aspekte des Diskurskontexts, abgesehen von der bloßen Auflösung indexikalischer und anaphorischer Bezüge, die Komposition der Satzbedeutung direkt beeinflussen können, und zwar durch sogenannte freie pragmatische Anreicherung in jeder Phase der Komposition der Satzbedeutung (Recanati, 2010). Unser Projekt versucht zwischen den beiden rivalisierenden Ansätzen zu entscheiden, indem wir eine prädiktive Vervollständigungsaufgabe einführen, bei der der Hörer zu jedem Zeitpunkt einer kommunikativen Situation eine probabilistische Vorhersage darüber zu treffen hat, wie ein vom Sprecher geäußerter Satz/Diskurs fortgesetzt wird.Beide Ansätze machen unterschiedliche Vorhersagen darüber, wie diese Aufgabe vom Hörer gelöst wird. Die Vorhersagen können quantitativ bestimmt werden, indem einerseits mithilfe der Latent Semantic Analysis (Landauer & Dumais, 1997) semantische Ähnlichkeitswerte ermittelt werden und andererseits die Grundlagen der Bayesianischen Pragmatik (Frank & Goodman, 2012) benutzt werden, um die pragmatischen Einflüsse zu berechnen. Als ein Model lexikalischer Struktur verwenden wie die sogenannte Qualiastruktur, die im Rahmen der Theorie des Generativen Lexikons von Pustejovsky (1995) eingeführt wurde. Dabei konzentrieren wir uns darauf, wie Diskurskontexte mit telische, agentiven und formalen Komponenten in der Qualiastruktur eines konkreten Nomens interagieren. Die Vorhersagen der beiden Ansätze sollen in zwei EEG-Experimenten getestet werden, indem wir die empirisch gut fundierte Beobachtung zugrunde legen, dass die bedingte Wahrscheinlichkeit eines Wortes gegeben einen vorausgehenden Kontext negativ mit der Amplitude seiner N400-Komponente korreliert ist.Auf der Grundlage der experimentellen Daten wollen wir die Mittel der formalen Semantik mit denen der Bayesiansischen Pragmatik verbinden und ein Model entwickeln, wie Diskurskontexte auf die Komposition von Satzbedeutungen durch freie pragmatische Anreicherung einwirken. Die Resultate des Projekts werden einen bedeutenden Beitrag zu der Debatte zwischen wahrheitskonditionaler Pragmatik und semantischem Minimalismus in der Sprachphilosophie leisten, insbesondere hinsichtlich der Frage, ob Kompositionalität in einem mehr oder weniger rigorosen Sinne verstanden werden muss. Das Projekt verspricht weiterhin Einsichten in die Struktur von mental repräsentierten lexikalischen Bedeutungen und Satzbedeutungen sowie zu den neurokognitiven Prozessen, die dem lexikalischen Abruf und der Komposition der Satzbedeutung zugrunde liegen.
DFG-Verfahren
Schwerpunktprogramme