Schwerefeld in der Antarktis: Geodätische Modellierung und geophysikalische Inversion (AntGrav)
Physik des Erdkörpers
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Forschungsprojekt hatte zum Ziel, eine verbesserte regionale Schwerefeldlösung für die Antarktis zu bestimmen. Zum Erreichen einer hohen Auflösung sind terrestrisch gemessene Schweredaten unerlässlich. Diese werden entweder bodengestützt oder an Bord von Flugzeugen (Fluggravimetrie) erhoben. Aufgrund der äußerst schwierigen Bedingungen in der Antarktis wird eine komplette Abdeckung des antarktischen Kontinents bisher nicht erreicht. Im Rahmen der internationalen Koordination (IAG und SCAR) engagiert sich der Antragsteller M. Scheinert, die in verschiedensten Messkampagnen erhobenen Daten zu akquirieren. Im Projektverlauf konnte so die Datenbasis gegenüber einer ersten Kompilation bedeutend erweitert werden. Insbesondere konnte die polare Datenlücke der Satellitenmission GOCE weitestgehend gefüllt werden. Um für die Zwecke der langwelligen Reduktion und Validierung sowohl ein bestgeeignetes globales Satellitenschwerefeldmodell als auch von den terrestrisch gemessenen Schwereanomalien unabhängige kurzwellige Feldinformationen zur Verfügung zu haben, wurde ein hochaufgelöstes Kombinationsmodell (SATOP1) erzeugt. Dafür wurden das Satellitenmodell GOCO05S und das Topographiemodell EARTH2014 bis zu einer sehr hohen Auflösung kombiniert (Maximalgrad 5480 der sphärisch-harmonischen Entwicklung, entspricht ca. 5 km Halbwellenlänge). Zuverlässigkeit und Konsistenz des SATOP1-Modells konnten in Antarktika durch den Vergleich mit ausgewählten aerogravimetrischen Daten hoher Genauigkeit (<2 mGal) nachgewiesen werden. Zusätzlich wurde ein rechentechnisch effektiver Interpolationsalgorithmus auf Basis eines 3D-Gitters entwickelt, um gewünschte Funktionale für jeden beliebigen Punkt (sowohl in Lage als auch in Höhe) schnell berechnen zu können. Mit Hilfe von SATOP1 wurden alle antarktischen Datensätze insbesondere in Hinblick auf langwellige Systematiken inspiziert und ggfs. korrigiert. Aufgrund der sich ergebenden Residuen erfolgte eine datensatzspezifische Gewichtung für den nachfolgenden Berechnungsschritt. Die eigentliche Berechnung erfolgte mittels Kollokation. Dafür wurde der klassische Kollokationsansatz in einer Weise erweitert, dass eine automatische Partitionierung unter Ausschluss von Inhomogenitäten in den Überlappungsbereichen ermöglicht wird, so dass der Rechenaufwand numerisch beherrschbar bleibt (partition-enhanced least squares collocation). Das Kriterium des minimalen Prädiktionsfehlers wird dabei weitestgehend erhalten. Ebenfalls wurde die Bestimmung der empirischen Kovarianzfunktion und die nachfolgende Aufstellung der Kovarianzmatrix in Hinblick auf eine numerisch effiziente Umsetzung optimiert. Die Kollokation bietet den Vorteil, neben dem Störpotential alle seine gewünschten Funktionale unmittelbar bestimmen zu können. Damit wurden auf einem polar-stereographischen Gitter mit einer Gitterweite von 5 km folgende Produkte berechnet: Schwereanomalie und Schwerestörung (an Oberfläche bzw. in konstanter Höhe von 5 km), Höhenanomalie (an Oberfläche bzw. Ellipsoid), zweite radiale Ableitung des Störpotentials sowie Bouguer-Anomalie. Ergänzend werden Informationen zur Genauigkeit (der aus der Kollokation abgeleiteten Schwereanomalie) sowie zur Datenabdeckung zur Verfügung gestellt. Diese neue Schwerefeldlösung stellt einen großen Fortschritt im Vergleich zur 2016er Kompilation dar. Mit den neuen Datensätzen wird hinsichtlich Konsistenz, Auflösung und antarktisweiter Abdeckung eine neue Qualität erreicht. Damit hat die neue regionale Schwerefeldlösung einen hohen Wert für weitere Untersuchungen, z.B. bei der Ableitung der Subglazial- bzw. Meeresbodentopographie durch Inversion, der Struktur des Erdinneren und des tektonischen Regimes Antarktikas.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Inversion of GEOHALO aerogravimetry to infer ocean bottom topography: application to the Tyrrhenian, Ionian and Adriatic seas. Geophysical Journal International, 216(2), 840-850.
Schaller, T; Scheinert, M; Barthelmes, F & Förste, C
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Evaluation of terrestrial and airborne gravity data over Antarctica – a generic approach. Journal of Geodetic Science, 9(1), 29-40.
Zingerle, P.; Pail, R.; Scheinert, M. & Schaller, T.
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A partition-enhanced least-squares collocation approach (PE-LSC). Journal of Geodesy, 95(8).
Zingerle, P.; Pail, R.; Willberg, M. & Scheinert, M.
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Big Geo-Scientific Data in the Antarctic. In: G. Foscari / UNLESS (ed.), Antarctic Resolution. Lars Müller Publishers, Zurich. ISBN 978-3-03778- 640-6
Eagles, G. & Scheinert; M.
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Geophysical subsurface modelling based on the updated, enhanced regional gravity field solution in Antarctica. American Geophysical Union (AGU).
Schaller Theresa, Scheinert Mirko; Zingerle Philipp, Pail Roland & Willberg Martin
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Quantarctica, an integrated mapping environment for Antarctica, the Southern Ocean, and sub-Antarctic islands. Environmental Modelling & Software, 140(c(2021, 6)), 105015.
Matsuoka, Kenichi; Skoglund, Anders; Roth, George; de Pomereu, Jean; Griffiths, Huw; Headland, Robert; Herried, Brad; Katsumata, Katsuro; Le Brocq, Anne; Licht, Kathy; Morgan, Fraser; Neff, Peter D.; Ritz, Catherine; Scheinert, Mirko; Tamura, Takeshi; Van de Putte, Anton; van den Broeke, Michiel; von Deschwanden, Angela; Deschamps-Berger, César; ... & Melvær, Yngve