Detailseite
Projekt Druckansicht

Materialität, Wissensordnung, Institution. Die Eigenästhetik des Klangarchivs

Fachliche Zuordnung Musikwissenschaften
Förderung Förderung von 2016 bis 2021
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 341638119
 
Erstellungsjahr 2021

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Forschungsprojekt nahm seinen Ausgangspunkt in der Hypothese, dass Klangarchive grundsätzlich gleichzeitig Materialisierungen, Wissensordnungen und Institutionen darstellen. Diese drei Facetten des Klangarchives stehen in dynamischer Wechselbeziehung zueinander. Sie verhalten sich gleichzeitig auch zu umgebenden Wissensordnungen wie beispielsweise gesellschaftlichen und intellektuellen Diskursen, politischen Ereignissen und sozialen Geflechten. Klangarchive wirken innerhalb dieser Konfigurationen aber nicht rein diskursiv, sondern auch eigenästhetisch. Eigenästhetik meint hier jene Qualität zwischen Materialität, Wissensordnung und Institution, die eine exklusiv Klangarchiven zueigene, affektivästhetische Strahlkraft entfaltet. Ziel des Projekts war es, die einzigartigen historischen Klangaufnahmen der Felix van Lamsweerde-Sammlung indischer Musik nicht nur, aber doch primär für die Forschung zugänglich zu machen, sie zu sichten und aufzuarbeiten. Darüber hinaus ging es uns darum, das grundsätzliche, bislang vernachlässigte Potenzial von Klangarchiven für aktuelle kritische Ansätze in der Archivtheorie urbar zu machen. Hier lag der Schwerpunkt auf dem besonderen erkenntnistheoretischen Potenzial von Schallarchiven. Dieser Ansatz war in mehrerer Hinsicht neu: (1) In der musikwissenschaftlichen Beschäftigung dominierten zu Projektbeginn präservationistische Ansätze, die in Klangarchiven primär Dokumentation zu bewahrender Musiktraditionen sahen. (2) Die Archivforschung behandelte das Medium Klang zumeist analog zum Medium Text, und das meint: wie einen Text. Um hier intervenieren zu können, hat das Projekt umfangreiche Digitalisierungen vorgenommen. (3) Im Rückgriff auf rezente Theoriebildung aus der Erkenntnistheorie, und hier insbesondere auf postkoloniale Ansätze u.a. aus der Theorie des Südens, zielte die Projektarbeit auf eine Analyse der klangspezifischen Aussagen zum vielfach diagnostizierten epistemischen Konflikt zwischen den textorientierten Ansätzen nordatlantischer und nordatlantisch geschulter Sammler*innen und Musikwissenschafler*innen des frühen und mittleren 20. Jahrhunderts einerseits und den prozessualen, nicht textbasierten Wissensmodi indischer Musiker*innen. Dieser Ansatz barg vielfache Implikationen in sich für die übergeordnete Frage nach der Relevanz musikwissenschaftlicher Ansätze für die postcolonial studies, deren Textorientiertheit ein Widerspruch in sich selbst zu sein scheint.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • 2021 Postcolonial Sound Archives: Challenges and Potentials. Themenausgabe der Zeitschrift the world of music (new series) 10:1
    Abels, Birgit (Herausgeberin) und Rasika Ajotikar (Gastherausgeberin)
  • 2021 “Marathi Sangeet Natak and the Affirmation of Hindu Nationalist Cultural Politics in Western India” the world of music (new series) 10(1)
    Ajotikar, Rasika
  • 2021 “Postcolonial Sound Archives: Challenges and Potentials.” the world of music (new series) 10(1)
    Ajotikar, Rasika gem. m. Eva-Maria Alexandra van Straaten
  • 2021 “Sound Archives and Musical Representations of Modern India: The Case of the Felix van Lamsweerde Collection (1963–2005).” International Association of Sound and Audiovisual Archives (iasa) journal 51
    Ajotikar, Rasika
    (Siehe online unter https://doi.org/10.35320/ij.v0i51.110)
  • 2021 “Sound Collections and Postcolonial India’s Cultural Politics: An Interview with Felix van Lamsweerde.” the world of music (new series) 10(1)
    Ajotikar, Rasika
  • 2021 “Zur Eigenästhetik des Schallarchivs. Eine Einlassung zur Diversifizierung des Wissensbegriffs.” Musikforschung 74(2): 104–114
    Abels, Birgit
    (Siehe online unter https://doi.org/10.52412/mf.2021.h2.2979)
 
 

Zusatzinformationen

Textvergrößerung und Kontrastanpassung